Information

Mehr als anderthalb Jahre nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" soll das Wrack ab Montag vor der italienischen Insel Giglio aufgerichtet werden.

Videobeitrag zu diesem Thema:

HIER << LIVESTREAM DER BERGUNG

20 Monate nachdem sie vor der italienischen Insel Giglio gestrandet ist, startet die Bergung der Costa Concordia. Der Luxusliner soll in einer noch nie durchgeführten Aktion in eine vertikale Position gebracht werden
Vier Wochen nach Ferragosto erlebte die kleine Insel Giglio am Wochenende eine neue Hochsaison. In den Gassen des Ortes und am Hafen herrschte Gedränge wie im Hochsommer. Fast alle Zimmer waren ausgebucht, die Restaurants voll, die Fähren hatten Hochbetrieb. Mit einem rauschenden Fest feierten Bewohner und Gäste am Samstagabend ihren Schutzpatron.

Auch mehrere hundert Journalisten und Kamerateams haben sich auf der Insel einquartiert, um ein Ereignis zu verfolgen, das Italiens Zivilschutzchef als "Weltpremiere" definiert: die Bergung der vor 20 Monaten an den Granitklippen Giglios gestrandeten Costa Crociere. Es handelt sich um eine Premiere mit ungewissem Ausgang. Was das italienisch-amerikanische Bergungskonsortium Microperi-Titan Salvage am Montag versucht, ist die mit 650 Millionen Dollar teuerste und aufwändigste Schiffsbergung aller Zeiten.

Mit hydraulischen Zylindern, mächtigen Stahlseilen und dem Gewicht von 1700 Tonnen Wasser in zwei gigantischen Stahlcontainern soll das 300 Meter lange Kreuzfahrtschiff aus seiner Schräglage befreit und aufgerichtet werden - auf einer auf dem Meeresgrund errichteten Plattform aus Zement und Stahl, die konstruiert wurde, um ein Abrutschen des Wracks zu vermeiden. Dafür war die vierfache Stahlmenge des Eiffelturms erforderlich.

Hohe Risiken
Die "Operation Parbuckling" birgt einige Risiken. Zwei Granitfelsen haben sich in den unter dem eigenen Gewicht verformten und angerosteten Schiffsrumpf gebohrt, der den Zugkräften nicht standhalten und auseinanderbrechen könnte.

Dabei drohen Tonnen verdorbener Lebensmittel, chemische Substanzen und große Abwassermengen im Meer zu landen. Projektleiter Franco Porcellacchia hält diese Wahrscheinlichkeit allerdings für gering. Das Schiff werde die Belastung aushalten, versichert der 60-jährige Ingenieur, der als technischer Direktor der Reederei Costa am Bau der Concordia beteiligt war. Ein "ächzendes Geräusch" wird den Inselbewohnern am Montag um sechs Uhr verraten, ob der Knopfdruck zum Aufrichten des Kreuzfahrtschiffes planmäßig erfolgt ist. Die Dauer der Operation ist auf zehn bis zwölf Stunden veranschlagt.

Nur ein Wetterumschwung könnte die akribisch vorbereitete Aktion im letzten Augenblick verhindern. "Wir sehen der Bergung gelassen entgegen" , versichert Sergio Giretto, Projektmanager des Bergungsunternehmens Microperi. "Alles ist bis ins letzte Detail durchgespielt worden."

Fährverkehr wird eingestellt
Seit Montag sechs Uhr ist die Insel vor der toskanischen Küste "off limits". Der Fährverkehr wurde eingestellt, nur Personen mit Sondergenehmigung haben Zutritt. Die Bergung hat mit über drei Stunden Verspätung begonnen. Dabei sind 22 Schiffe und acht große Floße mit mehr als 140 Besatzungsmitgliedern im Einsatz, 500 Personen aus 26 Ländern sind an der Operation beteiligt, darunter 120 Taucher, 70 Schweißer, 60 Techniker und Piloten und 50 Ingenieure. Gelingt die Aufrichtung, wird ein weiteres halbes Jahr vergehen, bis das Schiff abgeschleppt werden kann. Auch an die rechte Schiffsflanke müssen Stahlcontainer geschweißt werden, mit denen die Costa Concordia von der Plattform gehoben werden soll.

Als vordringlich gilt nach dem Aufrichten die Bergung der zwei Toten, die sich noch im Wrack befinden: die Italienerin Maria Grazia Tricarico und das indische Besatzungsmitglied Russell Rebello.