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Rund ein Viertel der Österreicher weiß, wie sich ein Tinnitus anhört. Wird das Geräusch im Ohr chronisch, befindet man sich inmitten eines Teufelskreises, den es zu durchbrechen gilt. So geht’s!

Viel zu viele Menschen leben mit einem Ohrgeräusch, das sich meist als akustische Wahrnehmung bemerkbar macht und ohne Reiz von außen entsteht. Ein solch subjektiver Tinnitus ist jedoch von einem objektiven zu unterscheiden, erklärt Dr. Christoph Schmid, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit Praxis in Villach: „Selten, aber doch sind die Geräusche beispielsweise auf eine messbare körpereigene Schallquelle zurückzuführen. In mehr als 90 Prozent der Fälle handelt es sich allerdings um Geräusche, die nur der Patient hört bzw. empfindet.“

Ohrgeräusche ernst nehmen! So oder so gehören Ohrgeräusche ernst genommen. Einerseits weil das für die Betroffenen meist eine enorme Einschränkung der Lebensqualität darstellt. Andererseits weil dem Tinnitus etwa auch eine andere Erkrankung (z. B. Gefäßerkrankung, gutartiger Tumor der Hörnerven) zugrunde liegen kann. Beim subjektiven Tinnitus gibt es wiederum den akuten und den chronischen. Bei Ersterem komme es zwar mitunter zur Spontanheilung, „trotzdem darf man ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen, schließlich könnte sich auch ein Gehörsturz dahinter verbergen“, warnt Schmid, der beim akuten Tinnitus neben Medikamenten (z. B. Kortison, durchblutungsfördernde Maßnahmen, Vitaminpräparate) auch ergänzende Behandlungen wie Entspannungsverfahren, Manualmedizin und Physiotherapie anbietet.

TCM bei Tinnitus
Entspannungsübungen, Kräuter und Massagen können helfen!

„Die Niere öffnet sich im Ohr“, so die Traditionelle Chinesische Medizin. Und der freie Fluss des Nieren-Qi ist für das gute Hören zuständig. Kommt es hier zu einer Schwäche, ist die Balance gestört, was sich durch ein Rauschen im Ohr bemerkbar machen kann. Ein pfeifender Tinnitus ist laut TCM ein Zeichen für ein Fülle-Muster bzw. von zu viel Schleim. Dem kann etwa eine akute Mittelohrentzündung zugrunde liegen, eine Blockade im Nackenbereich, ein Gehörsturz oder auch unterdrückte Emotionen wie Ärger, Zorn, berufliche oder private Anstrengungen. Anita Nussbaumer, TCM- Ernährungsberaterin und Tuina-Therapeutin in Bregenz und Wien: „Ist einem das Leben über längere Strecken zu viel, fangen die Ohren zu pfeifen an.“ Ein Tinnitus ist freilich auf viele individuelle Faktoren zurückzuführen, die bei Diagnostik und Behandlung allesamt berücksichtigt gehören. Mittels Tuina, der traditionellen chinesischen Massage, konnte Nussbaumer schon gute Erfolge erzielen – speziell beim rauschenden Tinnitus. Beim pfeifenden gelte es abzuklären, ob die Schleimstagnation vorerst mittels Kräutermedizin behandelt gehört. Vor allem aber bedarf es dem Zutun des Betroffenen, betont Nussbaumer: „Neben Tuina braucht es die Unterstützung durch die 5-Elemente-Ernährung, ausgleichende Bewegung (z. B. Meridian-Dehnungsübungen, Qigong, Yoga) und insbesondere die Bereitschaft, jene Dinge des Lebens zu verändern, die den Tinnitus ausgelöst haben.“

Wenn’s ständig rauscht ... Dann hat sich bereits ein Teufelskreis in Gang gesetzt, den es zu durchbrechen gilt – beispielsweise mithilfe der Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT). Dafür müsse aber erst einmal abgeklärt werden, was hinter dem Klingeln im Ohr steckt. „So gut wie jeder Tinnitus fängt mit einer Einschränkung der Innenohrfunktion an, etwa aufgrund eines Lärmtraumas oder als Alterserscheinung“, erklärt der HNO-Experte. Funktioniert der Hörnerv nicht mehr so, wie er sollte, tritt das Geräusch im Ohr meist in dem Hörbereich zutage, in dem der Betroffene eine beim Hörtest messbare Einschränkung aufweist. Eine zentrale Rolle spielt die Hörverarbeitung des Gehirns. Schmid: „Wir hören nicht alles gleich laut. Nebengeräusche zum Beispiel können wir mehr oder weniger ausblenden, während uns andere Geräusche – und sind sie noch so leise – alarmieren. Das ist ein Überbleibsel der Evolution.“ Das Problem ist: Der Tinnitus wird als Alarmsignal gewertet, was in der Folge eine Stressreaktion auslöst, zum Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz führt und auf Dauer nicht nur belastet, sondern zu besagtem Teufelskreis führt. Und je mehr Aufmerksamkeit dem Geräusch geschenkt wird, desto schlimmer die Kaskade.

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Die Stille kann schaden. Der erste Schritt besteht darin, die Stille zu meiden, schließlich berichten Patienten immer wieder, dass das Klingeln im Ohr gerade dann am deutlichsten zu hören ist. Das kann durch einen Zimmerbrunnen geschehen, indem man das Fenster kippt oder mithilfe einer apparativen Versorgung im Rahmen der TRT. „Hörgeräte oder Noiser bauen eine Geräuschkulisse auf, die den Tinnitus nicht übertönt, sondern dazu führen, dass er seinen Alarmcharakter verliert“, so Schmid. Das Ziel besteht darin, dass das Gehirn das Geräusch nicht mehr als störend empfindet.

Wahrnehmung verändern. Das Gerät allein macht jedoch keinen Sinn. Vielmehr brauche es ein ganzheitliches und individuell  gestaltetes Behandlungskonzept, bei dem der Aufklärung viel Zeit gewidmet werde: „Der Patient muss wissen, dass es sich im Prinzip um ein harmloses bzw. zumindest nicht lebensbedrohendes Geräusch handelt. Bei einer Gruppentherapie lernt er außerdem Entspannungsverfahren und psychotherapeutische Verarbeitungsstrategien“, sagt Schmid. Medikamente treten hingegen mehr und mehr in den Hintergrund. Ja, es geht darum, mit dem Tinnitus leben zu lernen, allerdings wird der Betroffene bei der TRT nicht damit allein gelassen, sondern bekommt vielmehr Werkzeuge, mit denen er den Teufelskreis durchbrechen kann – speziell dann, wenn das Geräusch wieder lauter wird, was übrigens häufig in Stresssituationen der Fall ist.

Tinnitus – oft ein Problem des Alters. Übrigens: Ein Tinnitus tritt im Alter häufiger auf, man kann aber etwa durch Lärmvermeidung vorbeugen. Oder eben indem man Stress reduziert, immerhin gelten Druck, Anspannung und ein stressiger Lebensstil als Ursachen. Und was ist mit Heilung? Die ist laut Schmid eine Definitionsfrage: „Bei manchen verschwindet der Tinnitus komplett. Anderen reicht es, dass das Geräusch zurückgedrängt wird und sie nicht mehr darunter leiden. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass der Patient sein Leben wieder als lebenswert empfindet.“ Und das ist in jedem Fall die Hauptsache. Darum: Achten Sie auf sich!


Infos dazu auch auf: www.praxis-villach.at