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Forscher prognostizieren, dass in Europa ab 2015 mehr Frauen an Lungenkrebs sterben werden als durch Mammakarzinome

London/Wien - Das Lungenkarzinom ist neben dem Pankreaskarzinom die wohl gefährlichste und tödlichste Krebsart. Bis zum Jahr 2015 dürfte sich der Lungenkrebs in Europa zur häufigsten Krebs-Todesursache bei Frauen entwickeln und damit das Mammakarzinom überholen. Das geht aus einer neuen epidemiologischen Studie hervor, die Wissenschaftler aus Italien und der Schweiz in den "Annals of Oncology" publiziert haben. In Großbritannien und Polen sei diese Entwicklung bereits Teil der sozialen Wirklichkeit, so die Forscher.

Während insgesamt die Krebsmortalität abnimmt, steigt die Sterblichkeit durch Lungenkarzinome in allen Staaten. Auf der anderen Seite sinkt - laut Studie um sieben Prozent seit 2009 - die Mammakarzinom-Sterblichkeit. Für 2013 gehen die Experten von fast 88.900 Todesfällen durch Brustkrebs in Europa (14,6 pro 100.000 Frauen beziehungsweise 15 Prozent der Krebs-Todesfälle) aus. Im Gegensatz dazu wird ein Anstieg der Opfer von Lungenkarzinomen (14 pro 100.000 Frauen) auf rund 82.600 geschätzt . Das sind 14 Prozent der Krebs-Todesfälle. Seit 2009 bedeutet das einen Zuwachs um sieben Prozent.

Studienautor Carlo La Vecchia, Leiter der Abteilung für Epidemiologie am Mario Negri-Institut der medizinischen Fakultät der Universität Mailand dazu: "Wenn diese für Brust- und Lungenkarzinome gegensätzlichen Trends anhalten, wird schon im Jahr 2015 das Lungenkarzinom die häufigste Krebsursache bei Frauen in Europa sein. Das ist bereits in Großbritannien und in Polen der Fall. Dort ist die Lungenkarzinom-Sterblichkeit mit 21,2 beziehungsweise 17,5 Toten pro 100.000 Frauen pro Jahr am höchsten."

Rauchen ist größter Risikofaktor

Die Lungenkrebserkrankungen sind nach Meinung des Wissenschaftlers das Spiegelbild des Tabakkonsums nach 20 bis 30 Jahren. Rund 90 Prozent der Erkrankungen werden auf das Rauchen zurückgeführt. So wird der Anstieg der Opferanzahl in Großbritannien mitunter auf den Trend zum Zigarettenkonsum unter Frauen ab den 1960er- und 1970er-Jahren zurückgeführt. Erst ab 2020 dürfte in Europa der Zuwachs bei der Lungenkarzinom-Mortalität bei den Frauen abflachen, weil auch in dieser Bevölkerungsgruppe auf europäischer Ebene bereits ein Rückgang der Raucherinnen-Quoten registriert wird.

Das Grundproblem liegt beim Lungenkarzinom vor allem darin, dass die Diagnose für eine heilende Operation zumeist zu spät gestellt wird. Pro Jahr erkranken weltweit mehr als 1,6 Millionen Menschen an einem Lungenkarzinom. Nach zwei Jahren leben nur noch etwa 20 Prozent der Betroffenen.

Besonders schlecht ist in Europa laut einer zweiten und erst am Montag im Fachjournal "Thorax" erschienenen Studie die "Ein-Jahres-Überlebensrate" bei Brustkrebs in Großbritannien. Demnach leben zwölf Monate nach der Diagnose nur noch 30 Prozent der Patienten. In Schweden sind es 46 Prozent. Dies Diskrepanz wird auch auf die mangelnde Bezahlung moderner medikamentöser Therapien durch das staatliche Gesundheitswesen in Großbritannien zurückgeführt.

Früherkennung verbessern

Weltweit wird zumindest bei Risikopersonen - also etwa bei Rauchern mit jahrzehntelangem Tabakkonsum - versucht, die Früherkennung zu verbessern. Das könnte Erfolge bringen. Darauf deutete erstmals eine wissenschaftliche Studie hin, die im Jahr 2010 von US-Wissenschaftlern veröffentlicht wurde: Durch regelmäßige Computer-Tomografie-Untersuchungen bei langjährigen Rauchern hatte man die Mortalität bei Lungenkrebs infolge der vermehrten Früherkennung um 20 Prozent senken können.

In Österreich sieht die Situation folgendermaßen aus: Trotz des Rückgangs der altersstandardisierten Neuerkrankungsrate durch bösartige Lungentumore um 20 Prozent bei Männern in den vergangenen zehn Jahren, war Lungenkrebs mit knapp 2.400 Sterbefällen im Jahr 2010 trotzdem die häufigste Krebstodesursache in dieser Gruppe.

Unter Frauen stieg die altersstandardisierte Neuerkrankungsrate seit 2000 um 18 Prozent an. Die Sterblichkeit an Lungenkrebs erhöhte sich bei den Frauen im selben Zeitraum um 15 Prozent. Im Jahr 2010 starben 1.266 Frauen an einem bösartigen Lungentumor.

 

Antikörper im Kampf gegen Lungenkrebs

Erlanger Wissenschaftler entdecken Botenstoff der Tumorwachstum fördert

Raucher sind zwar häufiger betroffen, doch kann die Diagnose ebenso Nichtraucher treffen: Lungenkrebs, die Krebsart, die weltweit am häufigsten auftritt und fast immer zum Tod führt. Obwohl sich die Behandlungsmethoden in den vergangenen Jahren verbessert haben, sterben daran allein in Deutschland jährlich rund 40.000 Menschen. Wissenschaftler der Abteilung für Molekulare Pneumologie der Anästhesiologischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen verfolgen jetzt einen neuen Ansatz, um Lungenkrebs zu bekämpfen: Sie haben eine Möglichkeit entdeckt, einen für das Tumorwachstum maßgeblich verantwortlichen Botenstoff zu blockieren. Bei Versuchen am Modell stieg dadurch die Überlebensrate deutlich.

Immunsystem entschlüsselt

„Ausgangspunkt unserer Forschungen war die Annahme, dass die Sterblichkeitsrate bei Lungenkrebs unter anderem deswegen so hoch ist, weil die Wissenschaft die zentralen Reaktionen des körpereigenen Immunsystems gegen die Tumoren noch nicht ausreichend verstanden hat", sagt Susetta Finotto, Leiterin der Abteilung Molekulare Pneumologie und Kopf des Forschungsprojekts.

Deswegen versuchte ihr Team das Immunsystem der Lunge zu entschlüsseln - mit Erfolg. Sarah Reppert gelang es zusammen mit Ildiko Boross, einen zentralen Botenstoff zu identifizieren, der das Tumorwachstum in der Lunge fördert.

„Der Botenstoff wird als Interleukin-17A bezeichnet", erklärt Boross. „Auch im Immunsystem gesunder Menschen lässt sich dieser Botenstoff finden. Allerdings habe ich bei meinen Untersuchungen am Krebsmodell und an Patienten mit Lungenkrebs entdeckt, dass Interleukin-17A bei ihnen stärker produziert wird, als bei Gesunden." Für die Produktion von Interleukin-17A verantwortlich sind so genannte T-Lymphozyten, also weiße Blutzellen. Die Funktionsweise dieser Lymphozyten wiederum wird von einem als T-bet bezeichneten Protein reguliert. Ist der Spiegel dieses Proteins im Körper zu niedrig, setzt das eine fatale Kettenreaktion in Gang: Das T-bet-Protein kann die Lymphozyten nicht mehr steuern. In der Folge produzieren die Lymphozyten immer mehr Interleukin-17A und dieser Botenstoff wiederum fördert das Wachstum der Krebstumoren.

Antikörper blockieren Interleukin-17A

„Hier setzen wir mit unserer Behandlungsmethode an", sagt Sarah Reppert. Gemeinsam mit dem Forscherteam um Finotto hat sie Antikörper eingesetzt, die Interleukin-17A blockieren. Bei Versuchen an Krebsmodellen führte die Blockade des Botenstoffs zu einer Hemmung des Tumorwachstums und in der Folge zu einer größeren Überlebensrate. Das Besondere dabei ist, dass die Wissenschaftler die Antikörper tröpfchenweise über die Nase verabreichten und nicht, wie bei ähnlichen Behandlungsmethoden üblich, über Spritzen in die Blutbahn. Von ihren Forschungsergebnissen erhoffen sich Finotto und ihr Team neue immunologische Therapieansätze für die Behandlung von Patienten mit Lungenkrebs. „Damit können Antikörper gegen Interleukin-17A im Kampf gegen den Lungenkrebs eingesetzt werden", sagt Finotto.

Neben Wissenschaftlern des Uni-Klinikums Erlangen waren auch Forscher der Universität Mainz und der Universität von Lausanne in der Schweiz an dem Projekt beteiligt.