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Tirol ist gesünder. Aber warum?“, hat die Fragestellung einer Diskussionsrunde am Dienstag beim Forum Alpbach gelautet. Schlüssige Antworten konnten die Experten nicht geben. Man vermutet aber, dass der Lebensstil die Westösterreicher gesünder hält, als der Lebensstil der Menschen im Osten.

Wolfgang Dür, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Gesundheitsförderungs-Forschung, versuchte eine differenzierte Betrachtungsweise. Oberflächlich würde die Lebenserwartung in Wien und im Burgenland als den Schlusslichtern in Österreich rund 82 Jahre betragen, in Vorarlberg, Tirol und Salzburg hingegen rund 84 Jahre, das sei aber nur ein Aspekt.

Der Lebensstil könnte entscheidend sein: In Ostösterreich sind 51,5 Prozent der Menschen Nichtraucher, in Westösterreich knapp 60 Prozent. Zumindest einen psychischen Belastungsfaktor (Stress etc.) nannten in Umfragen 24 Prozent der Vorarlberger, aber 43 Prozent der Burgenländer.



Europaweites Ost-West-Gefälle
Mit zunehmendem Wissen um die genetischen Hintergründe mancher Erkrankungen macht sich bei vielen Menschen die Auffassung breit, dass die „Erbanlagen“ entscheidend und in Sachen Gesundheit nicht beeinflussbar seien. Das Gegenteil ist wahrscheinlich der Fall. Lebensstil und soziale Faktoren sind zumeist viel mehr bestimmend, erklärten Fachleute bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen.

Sieht man über den sprichwörtlichen Tellerrand Österreichs hinaus, scheinen die Unterschiede in Lebenserwartung und Lebensstilfaktoren geradewegs an einer Trennlinie von West zu Ost zu verlaufen. Dür: „Der europäische West-Ost-Unterschied geht geradewegs durch Österreich durch.“ Das sei bei der Herz-Kreislauf-Mortalität genauso zu sehen wie bei der Krebssterblichkeit zwischen West- und Osteuropa.

Die Genetik spielt dabei offenbar nur eine geringe Rolle. „Den ‚Tiroler‘ gibt es nicht. Dass ‚der Tiroler‘ generell einen anderen genetischen Hintergrund mit einer anderen Prädisposition für Krankheiten als der Rest der Welt, das ist nicht der Fall. So einfach geht es in der Genetik nicht“, sagte Markus Hengstschläger, Chef des Instituts für Medizinische Genetik der Universität Wien. Jeder Mensch sei mit 23.000 Genen ausgestattet, die Unterschiede zwischen Individuen beruhten auf einer Häufigkeit von 0,1 Prozent.

Die gute Nachricht: „Man kann etwas tun“
„Massiv relevant“, so Hengstschläger, seien die Erbanlagen bei monogenetisch bedingten Erkrankungen. Wenn da eine einzelne Mutation von beiden Elternteilen herkomme, sei das für das Kind krankheitsauslösend. Doch gerade das ist bei jenen Erkrankungen, die wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden oder Krebs auf der Basis multipler Faktoren (Genetik, Umwelt, Lebensstil) entstehen, nicht der Fall. Fazit für Hengstschläger: „Ja, man kann etwas tun. Das ist die gute Nachricht.“

Eventuell vorliegende genetische Prädispositionen ließen sich durch einen gesünderen Lebensstil minimieren. Im Falle von Krankheit aber werden die genetischen Informationen des Einzelnen für die Therapieplanung und -Kontrolle wohl immer wichtiger werden. „Es gibt genau so wenig ‚den Tiroler‘ wie es ‚den Krebspatienten‘ gibt.“ Die individuellen Gegebenheiten werden damit auf anderer Ebene als bloß für die Entstehung von Krankheit wichtig - zum Beispiel in der Auswahl von Krebstherapeutika.

Laut dem Direktor der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK), Arno Melitopulos, ehemaliger Chef von "Gesundheit Österreich/GÖG) zeigen sich im internen Tiroler Vergleich der Gesundheitsdaten ebenfalls Trends, die für eine starke Beteiligung von Lebensstil, sozialen und beruflichen Gegebenheiten an Gesundheit und Krankheit sprechen: „Wien liegt zu Österreich in etwa so wie Innsbruck zu Resttirol.“ Hektisches Stadtleben macht offenbar wirklich häufiger krank.

Der Frage, warum die Tirolerinnen und Tiroler gesünder sind, will jetzt auch das Land Tiol auf den Grund gehen. Geplant ist eine großangelegte Studie zu den Essgewohnheiten der Tiroler - meh dazu in Studie über Essgewohnheiten der Tiroler.

Quelle: tirol.orf.at