Information

Wer jemals eine Panikattacke erlebt hat, wird bestätigen, dass es sich um ein einschneidendes Erlebnis handelt. Von einer Sekunde auf die andere ändert sich der Gefühlszustand. War man eben noch zufrieden und ruhig, kann schon im nächsten Moment Todesangst alles verderben. Früher wurden Panikstörungen als Nervensache oder Stresssymptom abgetan, heute sind sie als Erkrankung anerkannt. Und leider auch gar nicht so selten.

Panikattacken sind ein besonderer Typ von Angststörungen, zu denen Phobien, Zwangsstörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen gehören. Sie sind gekennzeichnet von wiederholten Erfahrungen mit intensiver Angst, die in jeglicher Situation auftreten kann. Eine Panikattacke beginnt abrupt und ohne scheinbaren Grund. Ihren Höhenpunkt erreicht sie meist innerhalb von zehn bis 20 Minuten. Manche der Symptome können aber bis zu einer Stunde anhalten und sich wiederholen. Währenddessen hat der Betroffene das Gefühl, verrückt zu werden, einen Herzanfall zu erleiden oder zu sterben. Deshalb landen die von Angst Geplagten oft in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Für den Körper sind Panikattacken nicht gefährlich oder belastend, wenn keine Herzschwäche oder geschädigte Herzkranzgefäße vorliegen. Aufgrund der Intensität fühlen sich viele Betroffene nach einem Anfall aber müde und ausgelaugt.

Die Symptome von Panikattacken

Bei mindestens vier der folgenden Symptome - wenn andere Erkrankungen oder Ursachen ausgeschlossen werden können - liegt eine Panikattacke vor. Sie werden von den Betroffenen als lebensbedrohlich  empfunden:

  • Schmerzen oder unangenehmes Gefühl im Brustbereich
  • Schwindel oder Schwäche
  • Angst zu sterben
  • Angst vor Kontrollverlust oder drohendem Unheil
  • Gefühl von Kurzatmigkeit
  • Gefühl des Erstickens oder Schluckprobleme
  • Gefühl von Realitätsverlust
  • Übelkeit oder Magenverstimmung, -krämpfe
  • Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Händen, Füßen oder im Gesicht
  • Herzrasen oder Herzklopfen
  • Schwitzen, Schüttelfrost oder Hitzewallungen
  • Zittern

Gelegentlich oder chronisch?

Panikattacken sind gar nicht so selten. Laut Schätzungen erleben mindestens fünf bis zehn Prozent aller Menschen mindestens einen Angstanfall im Leben. Erst wenn sich eine gewisse Regelmäßigkeit einschleicht, spricht man von einer krankhaften, chronischen Panik- oder Angststörung. Wenn die Anfälle innerhalb von vier Wochen vier Mal und öfter auftreten, ist das der Fall. Ein weiteres Merkmal ist die konstante Angst – mindestens ein Monat lang – vor der nächsten Attacke. Betroffene sind aufgrund der zu erwartenden Ausnahmesituation nicht gerne alleine oder wähnen sich für den "Notfall" gerne in der Nähe eines Krankenhauses. Auf diese Weise schränkt sich der Aktionsradius immer mehr ein.

Frauen häufiger betroffen

Aus unbekannten Gründen sind Frauen doppelt so häufig von Panikstörungen betroffen wie Männer. Typischerweise beginnt eine Panikstörung zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Auch im Kindes- und Teenageralter können Panikepisoden auftreten, werden aber oft nicht als solche erkannt.

Die Ursachen von Panikattacken

Angst und Panik haben eine überlebenswichtige Funktion. In Urzeiten ließen sie die Menschen vor gefährlichen Tieren flüchten bzw. diese bekämpfen und nicht willenlos verspeisen. Dieses Überlebensprinzip, das Mensch und Tier gemeinsam haben, wird auch "fight or flight" oder "Kampf oder Flucht" genannt. Die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol von Gehirn und Nebennieren sorgt für eine automatische Reaktion.

Gehirnreaktion in Sekunden

Für die Steuerung von Angstgefühlen ist das limbische System im Gehirn zuständig. Eine besondere Rolle spielen dabei die Bereiche des Mandelkerns (Amygdala) und des Hippocampus. Während die Amygdala prüft, ob es sich um eine gefährliche Situation handelt, ist der Hippocampus das emotionale Gedächtnisarchiv, in dem wichtige, bereits erlebte Angsterfahrungen abgespeichert sind. Der Mandelkern "befragt" den Hippocampus, ob es sich um eine gefährliche Situation handelt, und löst gegebenenfalls einen Großalarm aus. Dies geschieht alles unterbewusst und mit enormer Geschwindigkeit.

Familiengeschichte und Stress als Auslöser

Warum der Flucht- und Panikmechanismus grundlos startet, ist nicht völlig geklärt. Studien an Zwillingen und Untersuchungen von Familien haben gezeigt, dass es eine genetische Vorbelastung für Panikstörungen gibt. Die familiäre Vorbelastung ist aber kein Muss – es kann jede und jeden treffen. Neben der genetischen Komponente können stressvolle Situationen im Leben eine Auslösefunktion übernehmen. Wie bei einem Thermostat führt Stress zur Verringerung des Widerstands und kann so eine Panikerkrankung zum Ausbruch bringen. Dieser psychische Stress kann von Verlust oder Tod eines nahestehenden Menschen stammen oder durch grundlegende Änderungen im Leben wie die Geburt eines Kindes bedingt sein. Auch Erfahrungen mit körperlicher und sexueller Gewalt können für Panikattacken empfänglich machen. Nicht zuletzt ist ein traumatisches Erlebnis wie ein Unfall der Nährboden für diese Erkrankung.

Rasch Hilfe suchen

Der erste Weg führt immer zum praktischen Arzt. Dieser wird versuchen, andere medizinische Ursachen für die Panikattacken auszuschließen. Zum Beispiel können Panikgefühle Hinweis auf eine Schilddrüsenüberfunktion sein. Auch Herzerkrankungen müssen ausgeschlossen werden, wenn Herzrasen oder andere Unregelmäßigkeiten auftreten.

So schwer es ist, im Alleingang die angstauslösenden Mechanismen auszumachen und zu überwinden, so wenig helfen gut gemeinte Ratschläge von außen, wie sich "zusammenreißen" oder "sich einfach beruhigen". Personen, die nie eine Panikattacke erlitten haben, können sich oft gar nicht vorstellen, was im Kopf und Körper eines Betroffenen während einer Panikepisode abläuft. Das ist zwar gut so, trägt aber nicht zum Verständnis bei.

Therapie: Heilung möglich

Für die Behandlung einer Panikstörung stehen effektive Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Eine vollständige Heilung ist machbar und wenn die Krankheit wiederkommt, ist das kein Grund zur Panik, sondern lediglich für eine neue Behandlungsrunde. Zur Behandlung einer Panikstörung sind Psychotherapie und Medikamente wirkungsvoll. Je nach Schweregrad und Präferenz wird der Arzt oder Psychotherapeut einen der beiden Ansätze empfehlen oder eine Kombination. Beides kommt bei einer schweren Panikstörung zum Einsatz, wenn bereits eine Methode ausprobiert wurde und keinen Erfolg gebracht hat oder bereits andere psychische Erkrankungen wie Depressionen vorliegen.

Veränderung der Wahrnehmung 

Als besonders erfolgversprechend gelten Wahrnehmungs- und Verhaltenstherapien, deren Dauer vom Schweregrad der Erkrankung abhängt. Sie helfen dabei, die Panikattacken zu verstehen und mit Angstsituationen umgehen zu lernen. Der Haupttyp ist die kognitive Verhaltenstherapie, die bewährt und wissenschaftlich fundiert ist. Sie verfolgt den Zweck, Verständnis von und Kontrolle über verzerrte Sichtweisen zu erlangen. Die Panikstörung lässt den Betroffenen fälschlicherweise an eine Gefahr glauben, die gar nicht existiert. Indem negative Gedanken erkannt und ersetzt werden, verringert sich das so typische Merkmal der Hilflosigkeit. Für den Umgang mit Panikattacken werden Betroffene zudem mit Strategien für Stressmanagement und Anleitungen zur Entspannung ausgestattet. Manchmal kann es auch hilfreich sein, den Patienten absichtlich und stufenweise den Angst machenden Situationen auszusetzen oder zumindest Schritt für Schritt die problematischen Situationen durchzugehen und neue Perspektiven zu erarbeiten.

Medikamentöse Therapie

Für die Behandlung von Panikstörungen stehen verschiedene Medikamentengruppen zur Verfügung, die zu den Antidepressiva zählen und mindestens sechs Monate lang eingenommen werden sollten. Unter Anleitung eines Arzts werden sie langsam eingeschlichen und zeitgerecht wieder abgesetzt. Am häufigsten werden die (Selektiven) Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt. Ihr Vorteil liegt darin, sicher zu sein und wenig Nebeneffekte zu haben. Die Wirkstoffe sind Citalopram, Escitalopram, Paroxetin oder Sertralin. Weiters verbreitet sind die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI ) mit den Wirkstoffen Venlafaxin und Dulexotin.

Trizyklische Antidepressiva (TCA) werden am längsten bei der Behandlung von Depressionen und Panikstörungen angewandt. Allerdings ist ihr Einsatz trotz ihrer Effektivität mittlerweile eingeschränkt, da sie schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich bringen können, wie Herz- und Blutzuckerprobleme. Sie werden nur dann bei starken Depressionen eingesetzt, wenn SSRIs oder SNRIs keine Wirkung zeigen. Ebenso reich an Nebenwirkungen sind Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) oder auch -Inhibitoren (MAOI). Bei ihnen müssen bestimmte Diätrichtlinien eingehalten werden, da Lebensmittel (Ananas, Fisch etc.) mit den Substanzen reagieren können. Besonders gefährlich in diesem Zusammenhang ist Histamin etwa in Rotwein oder Schokolade.

Nur im Notfall sollten Benzodiazepine zum Einsatz kommen. Substanzen wie Alprazolam oder Clonazepam gehören zu dieser Gruppe. Sie wirken Angst lösend und beruhigend im Zentralnervensystem, können aber zu psychischer und physischer Abhängigkeit führen, wenn sie über längere Zeit oder in hohen Dosen eingenommen werden. Zur Langzeittherapie eignen sich Benzodiazepine damit nicht.

Behandlung ist wichtig

Eine Panikstörung ist dank Medikamenten und Therapie in den Griff zu bekommen. Ohne Behandlung kann es zu einer starken Verschlechterung der psychischen Gesundheit kommen. Ein solcher Nebeneffekt kann die Entwickelung von Phobien sein. Betroffene verspüren zunehmend das Bedürfnis, Situationen, die Panikattacken auslösen könnten, zu vermeiden und gehen in eine Schonhaltung über. Zum Beispiel werden das Autofahren oder Menschenmassen vermieden. Im extremen Fall führt das zu Agoraphobia, die im engeren Sinn die Angst vor Plätzen und im weiteren die Angst vor der Außenwelt oder vor dem Hinausgehen beschreibt. Unter der Annahme, dass zuhause nichts passieren kann, während "draußen" verschiedenste Gefahren drohen, ziehen sich Betroffene sozial vollkommen zurück und sperren sich ein.

Eine unbehandelte Panikstörung drängt die Betroffenen buchstäblich an den Rand der Gesellschaft. Sie erhöht das Risiko für Alkohol- und Drogenmissbrauch, Depressionen oder Selbstmord – Gedanken und Versuche. Auch die berufliche Karriere kann durch den einhergehenden sozialen Rückzug beeinträchtigt sein. Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit und finanzielle Abhängigkeit von anderen sind daher nicht selten. Die ganze Lebensqualität ist negativ beeinflusst, da Betroffene weniger Zeit für Hobbys, Sport oder andere Aktivitäten, die mit Spaß verbunden werden, aufwenden. Ein Kreislauf des Unglücklichseins ist in Gang gesetzt und mit voranschreitender Zeit immer schwerer zu durchbrechen.

Gegen Panikattacken

Falsche Verhaltensweisen können Panikattacken auslösen oder begünstigen. So kann ein durch zu viel Kaffee oder übermäßiges Training verursachtes Herzrasen als Symptom einer Panikattacke interpretiert werden. Betroffene sollten zudem nicht in Verneinungen denken. Falsch ist etwa: "Lass Dich nicht gehen". Richtig wäre: "Ich schaffe das."

Durch positive Formeln und bewusstes Atmen mit langen Pausen lässt sich dem Angstgefühl entgegen wirken. Auf dem Höhepunkt hilft Ablenkung der Gedanken auf Positives und die Konzentration auf die Realität rundherum.

Ein gesunder Lebensstil und einfache Selbsthilfemaßnahmen können einen großen Unterschied machen:

  • Behandlungsplan einhalten – regelmäßige und genügend Therapiesitzungen sowie Medikamente nach Vorschrift einnehmen
  • Einer Selbsthilfegruppe beitreten – soll aber nie die Therapie ersetzen
  • Koffein, Alkohol, stimulierende Medikamente oder illegale Drogen vermeiden – sie können Panikattacken auslösen oder verschlechtern
  • Entspannungstechniken wie Meditation oder Yoga praktizieren
  • Körperliche Aktivität – hat einen beruhigenden Effekt auf die Stimmung
  • Regelmäßige und gesunde Ernährung
  • Genügend Schlaf

Quelle Eskin