Lungenembolie
Syn.: Pulmonalembolie
Definition
Eine Lungenembolie tritt bei Verschleppung von körpereigenem oder
körperfremdem Material in die Lungenstrombahn auf. Die weitaus
häufigste Emboliequelle (>90%) ist eine Venenthrombose- vorwiegend im Becken-Bein-Bereich, selten in den oberen Extremitäten.
Bei der Pulmonalembolie (PE) und der tiefen Venenthrombose handelt es
sich um unterschiedliche Manifestationen desselben Krankheitsbildes,
weshalb auch vom Syndrom der venösen Thromboembolie (VTE) gesprochen
wird. Seltener kommt es zu Thromboembolien aus dem rechten Herzen.
Allerdings muss prinzipiell auch an andere Embolieursachen gedacht
werden (z.B. Tumorzellen, Amnionflüssigkeit, Fett-, Luftembolie etc.).
Inzidenz der PE
Es muss davon ausgegangen werden, dass bei Angaben über die Inzidenz
der PE die eigentliche Erkrankungshäufigkeit meist unterschätzt wird.
Die Inzidenz ist altersabhängig, wobei bei 65- bis 69-Jährigen eine
Inzidenz von 130/100.000 und bei 85- bis 89-Jährigen eine solche von
280/100.000 besteht. Die PE ist wahrscheinlich die häufigste klinisch
nicht erkannte Todesursache bei stationären Patienten und nur etwa 30%
der autoptisch festgestellten Lungenembolien werden vorher klinisch
diagnostiziert.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde eine Abnahme der
Mortalitätshäufigkeit bei PE beobachtet. Dies ist in erster Linie auf
eine verminderte Inzidenz durch eine verbesserte Primärprophylaxe (z.B.
postoperativ) zurückzuführen. Andererseits ist die Mortalität bei
Patienten, welche eine PE erlitten haben, im Wesentlichen unverändert
geblieben. Daher stellen die Erkennung von Risikopatienten und eine
geeignete Prophylaxe die wirksamste Strategie dar, um die Mortalität an
PE weiter zu reduzieren.
Pathophysiologie
Der Verschluss von Lungenarterien durch eine Embolie bedingt eine
abrupte Veränderung der pulmonalen und kardiovaskulären Funktionen,
wobei die resultierenden Effekte vom individuellen Zustand der Lunge
und des Herzens vor dem Embolieereignis und von der Anzahl, Grösse und
Verteilung der Embolien abhängig sind. Somit wird das klinische Bild
der PE einerseits vom Ausmass der Embolisierung und zusätzlichen
reflektorischen Mechanismen sowie andererseits vom eventuellen
Vorhandensein einer präexistenten kardiopulmonalen Erkrankung bestimmt.
Das Bild einer akuten PE mit Kreislaufgefährdung kann entweder durch
eine massive Embolie bei primär Gesunden oder durch Dekompensation
einer vorbestehenden kardialen bzw. pulmonalen Insuffizienz durch
kleine Embolien verursacht werden. Das an niedrige Drucke adaptierte
rechte Herz kann auf die akute pulmonale Gefässwiderstandserhöhung nur
in begrenztem Umfang mit einer Kontraktilitätssteigerung reagieren. Die
akute Kreislaufgefährdung ergibt sich somit durch die
Nachlaststeigerung des rechten Ventrikels. Zusätzlich dürfte eine
humoral und/oder reflektorisch ausgelöste Vasokonstriktion ebenfalls
eine wichtige Rolle spielen. Lungensegmente, welche von der embolischen
Obstruktion betroffen sind, werden weiterhin belüftet, ohne dass die
Alveolen am Gasaustausch teilnehmen. Dies erhöht den funktionellen
Totraum. Das funktionell gestörte Gleichgewicht zwischen Ventilation
und Perfusion führt einerseits zur Dyspnoe sowie andererseits zur
arteriellen Hypoxämie. Die Hypoxämie ist teilweise auch dadurch zu
erklären, dass durch die Drucksteigerung zusätzlich arteriovenöse
Anastomosen eröffnet werden.
Die zwischen den Bronchial- und Pulmonalgefässen bestehenden
Anastomosen sind zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden
Kollateralzirkulation distal eines Embolus meist ausreichend. Wenn
dieser Kollateralkreislauf - z.B. bei Rückstau durch
Linksherzinsuffizienz - behindert wird, kann sich ein Lungeninfarkt
entwickeln. Das Vorliegen einer Herzinsuffizienzist allerdings nicht unbedingt Voraussetzung für die Entwicklung einer
Infarzierung. Ein Lungeninfarkt tritt meist nur bei einer Obstruktion
distaler Lungenarterien auf. Begünstigend für diese nur in 10% aller
Lungenembolien auftretende Komplikation wirken neben der
Linksherzinsuffizienz auch eine Hypertonie des systemischen Kreislaufs
sowie chronische Atemwegserkrankungen.
Risikofaktoren
Prinzipiell bestehen dieselben Risikofaktoren wie bei der Venenthrombose:
- höheres Lebensalter
- Operationen (abhängig von der Art und Dauer des Eingriffes und der Art der Anästhesie; insbesondere Hüft- und Kniegelenkersatz)
- thrombophile Diathese (wie angeborener Mangel an AT III, Protein C und Protein S, Resistenz gegen aktiviertes Protein C)
- Malignom
- Zustand nach venöser Thromboembolie
- Immobilisierung
- Extremitätentrauma
- schwere internistische Erkrankungen mit Bettlägerigkeit wie z.B. Herzinsuffizienz
- orale Kontrazeptiva und postmenopausale Hormonsubstitution
- Wochenbett
- Ãœbergewicht
- lange (Flug-)Reisen
Diagnose der Pulmonalembolie
Das diagnostische Vorgehen hängt von mehreren Faktoren ab, wobei
neben der klinischen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer PE und
dem Allgemeinzustand des Patienten der lokalen Verfügbarkeit und
Akzeptanz der verschiedenen diagnostischen Möglichkeiten die wichtigste
Rolle zukommt. Die wichtigste Voraussetzung für die richtige Diagnose
ist, an die Möglichkeit des Vorliegens einer PE zu denken. Die Anamnese
(prädisponierende Faktoren) und die Inspektion des Patienten (Dyspnoe,
Tachypnoe, Einflussstauung) sind meist wegweisend.
Die Schwierigkeit der klinischen Diagnose ergibt sich aus folgenden
Gründen: Einerseits variiert das klinische Bild beträchtlich in
Abhängigkeit vom Ausmass der Embolie und vom Allgemeinzustand,
andererseits sind die Symptome und Befunde relativ unspezifisch, wobei
kein einzelnes Symptom oder kein Symptomkomplex ausreichend spezifisch
ist. Bei einer massiven PE ist die klinische Symptomatik meist sehr
dramatisch mit plötzlicher Dyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie,
thorakalem Schmerz und Angstgefühl verbunden. In diesem Fall ist
insbesondere die Abgrenzung vom akuten Myokardinfarkt besonders
wichtig. Neben einem heftigen pektanginösen Schmerz kann in weiterer
Folge ein atemabhängiger, pleuraler Schmerz (durch Pleuritis sicca;
Auskultation: Pleurareiben) auftreten. Die vielfach als klassisch
angeführte Symptomkonstellation Dyspnoe, atemabhängiger Schmerz und
Hämoptyse ist Ausdruck eines Lungeninfarkts und kommt nur bei etwa 10%
der Patienten vor.
Abschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer akuten Lungenembolie
hoch (80-100%)
|
- Risikofaktor vorhanden - ungeklärte Dyspnoe, Tachypnoe oder Pleuraschmerz - ungeklärte Veränderungen im Lungenröntgen und in der Blutgasanalyse |
niedrig (1-19%)
|
- Risikofaktor nicht vorhanden - Dyspnoe, Tachypnoe, Pleuraschmerz durch andere Erkrankungen erklärbar - Veränderungen im Thoraxröntgen und der Blutgasanalyse durch andere Erkrankungen erklärbar |
nach O. Burghuber, Pneumologisch 1/2002
Symptome
- Thoraxschmerzen
- akute Dyspnoe (Gefühl der Unfähigkeit zur tiefen Inspiration)
- Hustenreiz
- Hämoptyse
- Synkope
Objektive Zeichen
- Hyperventilation, Tachypnoe
- Tachykardie
- Fieber
- Galopprhythmus
- Zeichen der Beinvenenthrombose
- Zyanose/Einflussstauung
- Schock
Diagnostische Hilfsmittel
Bildgebende Verfahren
Die definitive Diagnose bzw. der Ausschluss der PE sind eine Domäne
der bildgebenden Verfahren, wobei sich der klinisch geäusserte Verdacht
nur in etwa 30% der Fälle bestätigt. Aus diesem Grund sind die
Durchführung einer standardisierten Anamnese inklusive Erhebung von
Vortest-Scores sowie die Bestimmung des D-Dimers essenziell zur
Reduktion der Häufigkeit des Einsatzes bildgebender Verfahren, welche
sowohl zeit- als auch kostenintensiv und mit der Applikation von
Röntgen- bzw. radioaktiven Strahlen verbunden sind.
Da über 90% der PE aus Thrombosen der unteren Extremitäten
resultieren, stellt die Durchführung einer Duplexsonographie der
Becken-Bein-Venen ein rasches und fast überall durchführbares
orientierendes bildgebendes Verfahren dar. Der Echokardiographie kommt
insbesondere bei Verdacht auf hämodynamisch wirksame PE wegen der
einfachen und raschen Durchführbarkeit ein wesentlicher Stellenwert bei
der Diagnosestellung und letztlich auch bei der Risikostratifikation
und der weiteren Therapieentscheidung (Indikationsstellung zur
Thrombolyse) zu. Ein direkter Embolusnachweis ist selten, aber die
Beurteilung der Weite der Pulmonalarterie und des rechten Ventrikels
sowie die Beurteilung der Funktion des rechten Ventrikels sind
hilfreich.
Definitive Standardverfahren zur Diagnose umfassen die
Spiral-CT-Angiographie (CTA) der Pulmonalarterien sowie die
Ventilations-/Perfusionsszintigraphie, wobei in den letzten Jahren mit
zunehmender Verfügbarkeit der Trend klar zur Computertomographie
gegangen ist. Mit dieser Methode kann eine grössere PE in jedem Fall
erfasst werden. Durch ein negatives Ergebnis der CTA kann eine klinisch
relevante PE innerhalb der nächsten 3 Monate zu 99% ausgeschlossen
werden. Durch den Einsatz der Mehrschicht-Spiral-CTA können die
Ergebnisse weiter verbessert und insbesondere auch subsegmentale PE
erfasst werden. Deren klinische Relevanz ist allerdings noch unklar.
Ein weiterer Vorteil der CTA ist die Möglichkeit der Kombination mit
einer CT-Venographie zum Nachweis oder Ausschluss einer
Beinvenenthrombose. Die CT-Untersuchung ermöglicht zusätzlich bei einem
Drittel der Patienten ohne nachweisbare PE eine alternative Diagnose.
Die Magnetresonanz-Angiographie (MRA) hat eine der
Spiral-CT-Angiographie vergleichbare diagnostische Aussagekraft, wobei
deren Bedeutung mit breiterer Verfügbarkeit und verbesserter
Technologie in den nächsten Jahren weiter steigen wird.
Die Szintigraphie hat in den letzten Jahren durch die generelle
Verfügbarkeit der CT-Angiographie an Bedeutung verloren. Ein besonderes
Problem der Ventilations-/Perfusions (V/P)-Szintigraphie ist eine hohe
Zahl (etwa 70%) von Patienten mit inkonklusiven Ergebnissen (mittlere
und niedrige Wahrscheinlichkeit). Etwa ein Drittel der Patienten mit
mittlerer Wahrscheinlichkeit für eine PE in der V/P-Szintigraphie hat
eine angiographisch nachweisbare PE und Patienten mit niedriger
Wahrscheinlichkeit weisen immerhin noch in bis zu 16% einen positiven
angiographischen Befund auf.
Der frühere Goldstandard, die invasive Pulmonalisangiographie, ist
in den letzten Jahren nahezu vollständig verlassen worden und dient
heutzutage nur mehr speziellen Fragestellungen wie der präoperativen
Planung bei Patienten mit chronisch thromboembolischer pulmonaler
Hypertonie.
Labordiagnostik
Arterielle Blutgasanalyse: Bei kleinen PE finden sich meist keine
Veränderungen, während sich bei massiver PE einerseits eine arterielle
Hypoxämie sowie andererseits die Zeichen der Hyperventilation
(erniedrigter pCO2; respiratorische Alkalose) finden. Bei Patienten
ohne vorherige kardiopulmonale Erkrankungen findet sich ein inverses
Verhältnis zwischen dem Ausmass der Embolie und dem arteriellen
Sauerstoffpartialdruck. Ein arterieller pO2 von über 90 mm Hg schliesst somit eine signifikante Embolie weitgehend aus.
Plasma-D-Dimer: Dieses hat eine hohe Sensitivität und negativen
Vorhersagewert (über 95%) beim Nachweis einer PE. Daher kann die
D-Dimer-Bestimmung als sehr hilfreich im Screening von Patienten mit
Verdacht auf PE angesehen werden. Die niedrige Spezifität macht
allerdings bei positivem Testergebnis eine weitere Abklärung
erforderlich.
EKG
Die primäre Bedeutung des EKGs liegt im Ausschluss anderer
Erkrankungen, vor allem eines Myokardinfarkts, und in der Suche nach
Hinweisen auf ein Cor pulmonale. Bei einer kleineren PE finden sich,
ausser bei Patienten mit präexistenter kardialer Erkrankung, meist keine
Veränderungen. Demgegenüber findet sich bei Patienten mit massiver PE
in etwa 90% der Fälle ein abnormer Befund im EKG.
Als klassische Befunde finden sich der so genannte S1-QIII-TIII-Typ
als Zeichen des akuten Cor pulmonale, eine T-Wellen-Inversion in den
rechtspräkordialen Ableitungen sowie ein neu aufgetretener
Rechtsschenkelblock. Diese Veränderungen kommen im Allgemeinen nur bei
ausgedehnter PE vor. Ein normales EKG schliesst eine grössere PE nicht
sicher aus. Ausserdem sind typische Veränderungen oft nur sehr
kurzzeitig nachweisbar.
Thoraxröntgen
Dieses ist bei Patienten mit Verdacht auf PE weder sensitiv noch
spezifisch. Es ist jedoch wichtig zum Ausschluss anderer Erkrankungen
sowie auch zum Vergleich mit dem nuklearmedizinischen Befund. Bei
Beurteilung durch einen erfahrenen Radiologen können prinzipiell in bis
zu 80% der Fälle direkte oder indirekte Hinweise auf eine PE gefunden
werden: Zwerchfellhochstand, basale Atelektase, breite Pulmonalarterie,
kleine periphere, der Pleura aufsitzende Verdichtungsareale, kleine
Winkelergüsse, fokale Oligämie.
Eine Oligämie (Westermark'sches Zeichen) wird insbesondere bei
massiver PE beobachtet, wobei es zu einer regional deutlich vermehrten
Strahlendurchlässigkeit kommt. Das Thoraxröntgen dient auch zum
Ausschluss anderer Erkrankungen (z.B. Pneumothorax, Herzinsuffizienz, Pleuritis, Rippenfraktur etc.).
Differentialdiagnosen zur PE
- akuter Myokardinfarkt
- akute Herzinsuffizienz
- Pleuritis, Perikarditis
- Pneumothorax
- Herzbeuteltamponade
- Asthma-bronchiale-Anfall
- Aneurysma dissecans
- Hyperventilationssyndrom
- septischer Schock
- Rippenfraktur
Prognose
Die Mortalität bei einer symptomatischen unbehandelten PE liegt bei
etwa 25-30% und kann durch geeignete Therapie auf deutlich unter 10%
gesenkt werden. Viele der Patienten versterben an der Rezidiv-PE, wenn
das initiale Ereignis nicht diagnostiziert wurde und somit unbehandelt
blieb. Bei Patienten mit PE kann phlebographisch bei etwa 70% eine
Thrombose im Beinvenensystem nachgewiesen werden.
Bei proximaler Lokalisation ist das Risiko einer Rezidiv-PE höher
als bei Patienten mit fehlendem Thrombusnachweis oder auf die
Unterschenkelvenen begrenzter Thrombose. Die Entwicklung einer
chronischen thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) wird als
relativ seltene, allerdings mit beträchtlicher Morbidität und
Mortalität einhergehende Komplikation einer PE angesehen. Bei diesen
Patienten erfolgt keine ausreichende Spontanlyse. Exakte Inzidenzzahlen
und Informationen über den zeitlichen Verlauf liegen kaum vor. In einer
rezenten Studie wurde eine Inzidenz von 3,8% nach 2 Jahren angegeben.
Klinisch besteht eine zunehmende Belastungs- und in weiterer Folge
auch Ruhedyspnoe. Im Rahmen einer Dyspnoe-Abklärung sollte daher,
insbesondere bei normaler Lungenfunktion, immer auch an die Diagnose
CTEPH gedacht werden. Das initiale thromboembolische Ereignis verläuft
allerdings bei der Mehrzahl aller Patienten mit CTEPH asymptomatisch.
THERAPIE
Allgemeine Richtlinien
Bei Verdacht auf das Vorliegen einer rezenten PE sollte möglichst
ohne Zeitverlust mit einer entsprechenden Therapie begonnen werden, da
selbst bei suffizientem Kreislauf und Normoxämie jederzeit die Gefahr
der schweren Rezidivembolie mit akutem Cor pulmonale droht. Die
Entscheidung für eine bestimmte Therapieform hat sich in erster Linie
danach zu richten, ob eine Embolie mit oder ohne hämodynamische
Auswirkungen vorliegt. Es ist dabei sekundär, ob dies durch eine
ausgedehnte PE oder durch eine kleinere Embolie, welche eine
kardiopulmonale Grundkrankheit aggraviert, verursacht wird.
Allgemeinmassnahmen
Neben der kausalen Therapie (s. unten) kommen verschiedene, vom
klinischen Zustand abhängige allgemeine Therapiemassnahmen zur
Anwendung: Sauerstoffzufuhr, Analgesie (ev. Morphinpräparat),
gegebenenfalls Schocktherapie und Beatmung.
Antikoagulanzientherapie
Diese stellt die wichtigste Therapiemassnahme schon beim Verdacht auf
das Vorliegen einer PE dar. Dadurch soll eine Rezidivembolie verhindert
werden, da der grössere Teil aller PE in Schüben verläuft und häufig
erst die Rezidivembolie tödlich ist. Die Wirksamkeit der
Antikoagulanzientherapie mit Heparin ist hinsichtlich einer Reduktion
der Letalität und Vermeidung von Rezidivembolien durch eine
randomisierte Studie abgesichert. Heparin ist daher die Therapie der
Wahl bei hämodynamisch stabilen Patienten. Die Applikation von
niedermolekularem Heparin (NMH) in körpergewichtsadaptierter Dosierung
ist dabei genauso effektiv und sicher wie die Gabe von unfraktioniertem
Heparin (bezüglich der Arzneispezialitäten und der empfohlenen
Dosierung sei auf das Kapitel Venenthrombose verwiesen).
Daher hat das NMH in den letzten Jahren wegen seiner Vorteile das
unfraktionierte Standardheparin (UFH) bei der Therapie der PE - ebenso
wie bei der Prophylaxe und Therapie der Venenthrombose - weitgehend
verdrängt. Beim hämodynamisch instabilen Patienten wird jedoch derzeit
noch das UFH in intravenöser Applikation bevorzugt, insbesondere bei
Durchführung einer Thrombolysetherapie. Die Dosierung von UFH
(initialer Bolus von 5.000-10.000 I.E., danach etwa 30.000-40.000
I.E./24 Stunden) erfolgt anhand der aPTT (aktivierte partielle
Thromboplastinzeit; angestrebte Verlängerung 1,5-2,5fach).
Thrombolysetherapie
Das Therapieziel der Thrombolysetherapie bei massiver PE mit
hämodynamischer Instabilität ist die möglichst rasche Rekanalisation
der pulmonalarteriellen Strombahn zum Zwecke der signifikanten Senkung
des rechtsventrikulären und pulmonalarteriellen Druckes. Dadurch soll
die Frühmortalität auf Basis einer akuten Rechtsherzinsuffizienz
reduziert werden. Die Bedeutung der Thrombolysetherapie bei
hämodynamisch stabilen Patienten mit PE ist derzeit noch unklar.
Prinzipiell kann auch bei hämodynamisch stabilen Patienten mit
mässiger bis schwerer rechtsventrikulärer Dysfunktion eine raschere
Rückbildung dieser echokardiographisch nachweisbaren Dysfunktion im
Vergleich zur Antikoagulanzientherapie erwartet werden. Derzeit ist
allerdings die Evidenz aus randomisierten Studien nicht ausreichend, um
eine Thrombolysetherapie bei hämodynamisch stabilen Patienten mit
rechtsventrikulärer Dysfunktion empfehlen zu können.
Das Hauptproblem der Thrombolysetherapie ist das Risiko schwerer
Blutungskomplikationen, wobei intrakranielle Blutungen bei etwa 1% der
Patienten auftreten. Die in den früheren Thrombolysestudien teilweise
hohen Blutungskomplikationen waren in erster Linie auf invasive
diagnostische Massnahmen (Pulmonalisangiographie) zurückzuführen. Daher
sollte bei Verdacht auf massive PE und geplanter Thrombolysetherapie
auf invasive diagnostische Massnahmen (Pulmonalisangiographie,
Pulmonaliskatheter zur Druckmessung) möglichst verzichtet werden.
Zusätzlich nimmt das Blutungsrisiko mit zunehmender Dauer der
Thrombolyseapplikation zu.
Obwohl es keine einheitlichen Richtlinien zur Wahl und Dosierung der
Thrombolytika sowie zur Dauer der Applikation gibt, hat sich,
vergleichbar mit der Lysetherapie bei Myokardinfarkt, in den letzten
Jahren eine deutliche Tendenz hin zur kürzeren, höher dosierten und
damit initial schneller wirksamen Lysetherapie ergeben (z.B.
Applikation von 100 mg rt-PA über 2 Stunden oder 3 Millionen Einheiten
Urokinase über 2 Stunden). Es spielt nur eine geringe Rolle, welches
Thrombolytikum verwendet wird. Der Grossteil der rezenten Studien wurde
mit rt-PA durchgeführt, daher wird dieses Thrombolytikum derzeit
vorwiegend verwendet.
Embolektomie
Die Indikation zur Embolektomie stellt sich, bei entsprechenden
lokalen Voraussetzungen, dann, wenn es trotz raschen Beginns einer hoch
dosierten Lysetherapie bei gleichzeitigem Einsatz
intensiv-therapeutischer Massnahmen nicht gelingt, innerhalb kurzer Zeit
eine Stabilisierung der Kreislaufverhältnisse zu erzielen. Die
Mortalität dieses Eingriffes ist in Abhängigkeit vom klinischen Zustand
des Patienten relativ hoch (etwa 50%).
Therapeutisches Vorgehen bei Kontraindikation zur Antikoagulantientherapie
Eine akute PE stellt eine sehr dringliche, vitale Indikation zur
sofortigen Antikoagulanzientherapie dar, sodass in diesen Fällen nur
sehr wenige „absolute“ Kontraindikationen bestehen. Als solche müssen
z.B. rezente hämorrhagische Insulte sowie manifeste Blutungen im
Gastrointestinal- und Respirationstrakt, rezente Operationen im
ZNS-Bereich und eine schwere generalisierte hämorrhagische Diathese
angesehen werden. Bei Vorliegen dieser Erkrankungen wird der Therapeut
vor schwerwiegende Probleme gestellt und im Einzelfall muss das Risiko
der Blutung gegen das Risiko der fehlenden Antikoagulation abgewogen
werden. In diesen Fällen stellt sich die Indikation zur mechanischen
Blockade der Vena cava inferior durch eine Schirmfilterimplantation
(Vena-cava-Filter), durch welche ein Schutz vor einer weiteren PE
ermöglicht werden soll.
Vena-cava-Filter
Die Indikation zur Implantation dieses Filters ist relativ selten:
- bei vorliegender PE und gleichzeitigem Vorhandensein einer absoluten Kontraindikation für eine Antikoagulanzientherapie
- beim Auftreten einer Blutungskomplikation mit der Notwendigkeit des Absetzens dieser Therapie
- beim Auftreten einer Rezidivembolie trotz einer adäquaten Antikoagulanzientherapie
Sekundärprophylaxe nach Lungenembolie
Da es sich bei Venenthrombose und Lungenembolie um eine
Krankheitsentität handelt, gelten dabei dieselben Richtlinien wie bei
der Venenthrombose.