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NanotipsIst dieses Fingertool nun brauchbar oder nur schlecht? Mit dem Kickstarter-Projekt Taps sollen sich Handschuhe mit einem künstlichen Fingerabdruck versehen lassen, um Smartphones zu entsperren. Im Test funktionierte es mit den meisten Geräten allerdings nicht.

Touchscreen-fähige Handschuhe sind schon länger gebräuchlich und auch zu vernünftigen Preisen zu bekommen. Wer aber ein Smartphone mit Fingerabdrucksensor besitzt und das Gerät darüber entsperren will, muss die Handschuhe dafür ausziehen - oder den regulären Zugangscode eingeben. Mit Taps hat das kanadische Unternehmen Nanotips Abhilfe versprochen und sich die Idee über Kickstarter finanzieren lassen. Es handelt sich um künstliche Fingerabdrücke, die auf den Handschuh geklebt werden. Mit Taps lässt sich der eigene Lieblingshandschuh Touchscreen-fähig machen.

Damit sind sie auch eine Lösung für alle, die sich keine speziellen Touchscreen-Handschuhe zulegen möchten. Das Kickstarter-Projekt erreichte bereits nach wenigen Tagen sein Finanzierungsziel und die Auslieferung lag sogar halbwegs im Zeitplan. Trotzdem waren viele Unterstützer verärgert, weil nur die wenigsten ihre Taps-Lieferung vor Weihnachten erhielten. Auch Golem.de hat das Projekt unterstützt und es getestet - mit einem äußerst enttäuschenden Ergebnis.

Taps ohne vernünftige Anleitung
Wir hatten ein 4er-Set bestellt und bekamen auch vier verschiedene Taps, die wie Aufbügelflicken für Löcher in Kleidungsstücken aussehen. Eine Dokumentation lag dem Produkt nicht bei.

Erst Tage nachdem bereits viele Unterstützer das Produkt erhalten hatten, gab der Hersteller eine E-Mail mit Hinweisen dazu - allerdings geht es dabei nicht um die ideale Position zur Anbringung, sondern um die beste Haltbarkeit. Demnach sollte die Oberfläche des Handschuhs trocken sein und das Aufkleben sollte bei Zimmertemperatur erfolgen. Die komplette Austrocknung dauert 48 Stunden und der Handschuh sollte in dieser Phase nicht feucht werden. Für die Bedienung spielt es durchaus eine Rolle, ob die Taps richtig aufgeklebt sind.

Wir mussten aber selbst erraten, wie der Aufsatz korrekt auf einen Handschuh geklebt wird. Wir haben einen Taps auf den Fingerkuppenbereich eines Stoffhandschuhs geklebt, und der Aufsatz hält erstmal gut. Wie lange diese Klebekonstruktion Bestand hat, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Vermutlich halten die Taps auf Leder- oder Kunstlederhandschuhen besser als auf Stoffhandschuhen. Die Position des Aufklebers hat sich für die Bedienung im Test tatsächlich als am besten erwiesen.

Schlechter als Touchscreen-Handschuhe aus Stoff
SmartphoneVorher hatten wir nur Touchscreen-Handschuhe aus Stoff verwendet. Das hat den Vorzug, dass der Stoff geschmeidig über den Bildschirm gleitet und der Bedienung mit dem Finger möglichst nahe kommt. Mit dem Taps-Aufkleber ist das anders: Schiebe- oder Wischgesten sind damit nur sehr mühsam möglich, wenn überhaupt. Denn die Taps-Beschaffenheit ähnelt der von Kunstleder und ein Gleiten über den Touchscreen wird nicht unterstützt. Beim Berühren mit dem Finger reagiert der Touchscreen gut. Allerdings setzt das voraus, dass der Aufsatz korrekt auf dem Handschuh angebracht ist.

Das Besondere an Taps ist die Fingerabdruck-Funktion. Jeder einzelne Taps soll durch eine spezielle Beschichtung einen normalen Fingerabdruck nachahmen können und dabei unverwechselbar sein. Das Smartphone muss den Taps-Fingerabdruck erlernen, damit es damit entsperrt werden kann. Das ist die Theorie, in der Praxis gibt es erhebliche Probleme.

Fingerabdruck-Fähigkeit funktioniert meistens nicht
Wir haben die Fingerabdruck-Funktion mit Googles Pixel-Smartphone, mit Apples iPhone 7, mit Googles Nexus 6P, mit Lenovos Moto Z Play, dem Honor 8 sowie mit den beiden Huawei-Modellen Mate S und Nova Plus ausprobiert. In keinem Fall erkannte das Gerät einen Fingerabdruck, wenn ein Taps auf den Sensor gehalten wurde. Das Moto Z Play kann über den Fingerabdrucksensor ausgeschaltet werden, ohne dass der Fingerabdruck vorher angelernt werden muss. Auch hier versagte Taps, das Smartphone ließ sich so nicht abschalten.

Je nach Gerät wurde dann empfohlen, den Fingerabdrucksensor zu reinigen oder es gab einfach nur den Hinweis, den Finger korrekt zu platzieren. Aber egal, wie wir Taps auf den Sensor hielten, der Sensor fand keinen Fingerabdruck.

Nur bei drei Apple-Smartphones funktionieren Taps
i-PhoneWir haben nur zwei Smartphones gefunden, mit denen Taps funktionierte. Das waren die beiden alten Apple-Smartphones iPhone 5S und iPhone 6. Das Erlernen des Fingerabdrucks war hier möglich und auch das Entsperren funktionierte dann zuverlässig. Von dem Versprechen des Herstellers bleibt also nicht viel übrig: Denn Taps soll eigentlich mit "jedem Fingerabdrucksensor" funktionieren. Dieses Versprechen gibt der Hersteller auf der Kickstarter-Seite weiterhin - ohne jede Einschränkung.

Unsere Erfahrungen werden seit einigen Tagen von etlichen Unterstützern auf der Taps-Kickstarter-Seite bestätigt. Viele bemängeln, dass die zugesicherte Fingerabdruck-Fähigkeit nicht funktioniert. Unter anderem wird das Nexus 5X als weiteres Smartphone genannt, das nicht mit Taps klarkommt, ebenso das iPhone 6S. Das einzige derzeit bekannte Android-Smartphone, mit dem alle Taps-Funktionen möglich sind, ist Samsungs fast drei Jahre altes Galaxy S5.

Viele Unterstützer zeigen sich verärgert und fühlen sich betrogen, weil eine wesentliche Eigenschaft von Taps nicht nutzbar ist. Sie raten entschieden von einem Kauf ab. Bisher hat der Hersteller nicht auf die Vorwürfe reagiert. Als Unterstützer vor Weihnachten beklagten, dass sie ihre Bestellung noch immer nicht erhalten hatten, hat das Unternehmen reagiert und geantwortet. Auf die Berichte über das Nicht-Funktionieren mit Fingerabdrucksensoren gab es seit mehr als einer Woche hingegen keine Reaktion. Eine Anfrage von Golem.de blieb ebenfalls unbeantwortet. Es ist somit nicht bekannt, warum Taps nur vom Fingerabdrucksensor vereinzelter Smartphone-Modelle erkannt werden.

Verfügbarkeit
Nanotips bietet Taps derzeit parallel zur Kickstarter-Kampagne über eine Indiegogo-Seite an, im Grunde weiterhin nur zum Vorbestellen. Wer jetzt ein Taps-Set für 11 US-Dollar zuzüglich Versandgebühren bestellt, erhält es erst im Februar 2017.

Fazit
Betrug oder Unfähigkeit? Nanotips hat mit Taps in jedem Fall ein äußerst fragwürdiges Produkt auf den Markt gebracht. Die wenigsten Käufer können erwarten, dass Taps vom Fingerabdrucksensor des eigenen Smartphones erkannt werden. Derzeit sind uns nur drei Smartphone-Modelle bekannt, die sich mit Taps vertragen. Und das sind alles eher alte Geräte.

Aber auch die Touchscreen-Fähigkeit konnte uns nicht überzeugen. Das Material der Taps gleitet nicht und das erschwert die Bedienung auf einem Touchscreen. Wischbewegungen sind nur ganz schwer zu realisieren. Da die Fingerabdruck-Funktion nicht gewährleistet wird, ist ein spezieller Touchscreen-Handschuh derzeit klar die bessere Wahl. Selbst wer seinen Lieblingshandschuh Touchscreen-fähig machen möchte, wird mit Taps nur sehr eingeschränkt Freude haben.

Falls Nanotips Taps abseits von Kickstarter anbietet, raten wir derzeit vom Kauf ab. Das ist sehr schade, denn die Idee hinter Taps hätte eigentlich verdient, ordentlich umgesetzt zu werden.

Quelle: Eskin