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Jeder Fünfte hasst die lieben Kollegen

Streitereien und Konflikte begleiten uns unser ganzes Leben lang. Im Sandkasten mopsen sich Kinder ihre Förmchen, nach dem Abendessen kann man sich mit dem Partner nicht auf das Fernsehprogramm einigen und am Arbeitsplatz nervt der Chef. Das ist völlig normal und gehört zu unserem Alltag dazu.

Anders sieht die Lage aus, wenn eigentlich harmlose Auseinandersetzungen zu Schikanen werden und schliesslich dazu führen, dass einzelne Personen dauerhaft angegriffen und ausgegrenzt werden. Nach einer neuen Studie hassen etwa 20 Prozent der Angestellten Teile ihres Kollegiums.

Laut der 'Zeit’ sind täglich drei von hundert Beschäftigten in Deutschland von Mobbing betroffen. Bei insgesamt 37 Millionen Arbeitnehmern sind das über eine Million Opfer – Tendenz steigend. Eine neue Umfrage unter 2000 Angestellten ergab gar, dass jeder Fünfte im Büro seine Kollegen hasst. Zwei Drittel gaben zu, regelmässig über Mitarbeiter zu tratschen, sobald sie ausser Reichtweite sind. Und jeder Vierte schimpft nach Feierabend über die Kollegen.

Kritisch wird es, wenn ein Einzelne zum Ventil der Anfeindungen werden und als Sündenbock für alles herhalten müssen. Viele Menschen am Arbeitsplatz sind den Anfeindungen ihrer Kollegen oder Vorgesetzten wehrlos ausgeliefert und kommen mit der Situation nicht mehr zurecht.

Gerade in Krisenzeiten verliert so mancher die Nerven – egal, ob Manager oder Abteilungsleiter. Besonders vor drohenden Entlassungen werden die Ellenbogen ausgefahren – jeder will besser als der andere sein.

Wie entwickelt sich Mobbing?

Oft entwickelt sich Mobbing aus klassischen Konfliktfällen: Ein Fehler oder ein Missverständnis und plötzlich ziehen Sie die Aufmerksamkeit auf sich. Das allein kann jedem passieren. Unter bestimmten Rahmenbedingungen werden Sie allerdings zum Buhmann: Es kann bereits reichen, etwas weniger oder mehr als andere zu arbeiten oder ein spezielles Auftreten zu haben, das Kollegen nicht nachvollziehen können.

Aber auch wer positiv auffällt kann zum Opfer werden. So kann eine intelligente, gutaussehende Kollegin in einem von Männern dominierten Arbeitsumfeld leicht zur Zielscheibe werden. Die Alarmglocken sollten bei Ihnen spätestens dann schrillen, wenn der Konflikt von der sachlichen auf die Beziehungsebene rutscht.

Welche Merkmale gibt es?

Die häufigste Art des Mobbings ist das Verschweigen von wichtigen Informationen – so verpasst das Opfer wichtige Termine oder steht vorm Chef dumm da. Oft werden obendrein Gerüchte oder falsche Tatsachen verbreitet. Hat der Betreffende persönliche oder körperliche Schwächen wie etwa eine schiefe Nase oder einen besonderen Akzent, muss er in Anwesenheit der Kollegen Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Zu den ersten Alarmsignalen gehört aber auch die fehlende oder nicht erwiderte Begrüssung, das Aufbauschen von kleinen Versäumnissen vor den Kollegen und das ungleiche Verteilen von Arbeitsaufgaben.

Der Stress der Mobbingopfer geht schliesslich so weit, dass sie gesundheitliche Probleme bekommen. Betroffene nehmen eine verkrampfte Haltung ein, ziehen sich zusammen. Dies führt zu Rückenproblemen und Schmerzen in der Schulter. Weitere Probleme sind Kopfschmerzen, Migräne- und Asthmaanfälle, Verschlechterung von Allergien bis hin zu Schlaflosigkeit. Zu Anfang weiss das Opfer meist noch gar nicht, dass seine Beschwerden mit dem Terror am Arbeitsplatz zusammenhängen.

Wie kann ich mich wehren?

Je schneller Sie sich der Situation bewusst werden, desto besser. Wichtig: Holen Sie sich Hilfe von aussen und hoffen Sie nicht auf Einsicht des Mobbers. In direkten Gesprächen wird man Sie lächerlich machen oder versuchen, Ihnen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Nach einem direkten Gespräch könnte sich sogar alles noch verschlimmern.

Versuchen Sie stattdessen, mit Kollegen zu sprechen. Manchmal genügt es bereits, wenn ein einzelner Mensch Sie unterstützt und den Mobber mit seinem Verhalten konfrontiert. Problem: Oftmals solidarisieren sich Ihre Kollegen aus Angst mit dem Mobber. Dann können Sie sich an den Betriebsrat oder Ihren Vorgesetzten wenden.

Hilfreich sind diese Anlaufstellen allerdings nur, wenn sie über Mobbing informiert sind und das Problem auch lösen wollen. Leider wird immer noch oft weggesehen und der Terror geleugnet.

Flüchten Sie sich auf keinen Fall in die Isolation und versuchen Sie nicht, alles mit sich selbst auszumachen. Besonders wenn Sie als Trottel hingestellt werden oder Ihnen mangelnde Kompetenz unterstellt wird, ist es wichtig, dass Sie nicht selbst anfangen, an sich zu zweifeln. Ihre Familie und Ihre Freunde werden Sie besser kennen.

Auch Mobbing-Beratungsstellen können helfen, das Problem zu lösen. Hier werden Sie auch darüber beraten, ob eine Kündigung sinnvoll ist. Zu schnell sollten Sie diesen Schritt allerdings nicht in Erwägung ziehen. Denn auf diese Weise gestehen Sie Ihren Peinigern einen leichten Sieg zu. Zudem kann Ihnen niemand garantieren, dass am nächsten Arbeitsplatz der Terror nicht weitergeht.

Auch ein Jurist kann hilfreich sein. Er kann Sie über Ihre rechtlichen Möglichkeiten aufklären und Sie mit diesem Wissen stärken. Erwägen Sie eine Klage beim Arbeitsgericht, müssen Sie die Vorkommnisse detailliert schildern. Führen Sie deswegen Mobbing-Tagebuch.

So können Sie beweisen, dass Sie in konkreten Situationen schikaniert worden sind. Schreiben Sie die Aktionen des Täters auf und machen Sie sich Notizen über erhaltene Aufträge, die Dauer und die Art und Weise, wie Sie sie erledigt haben. So können Sie Angriffen auf Ihre Arbeitsweise den Wind aus den Segeln nehmen.