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Hormonmangel

Wenn Mann Probleme mit seiner Erektion hat, kann dies seinen Grund in einer Störung des Hormonhaushalts haben. In erster Linie betrifft dies das Sexualhormon Testosteron. Wird davon nicht genug gebildet oder freigesetzt, leiden nicht nur Fruchtbarkeit und Libido - auch die Erektionsfähigkeit wird geschwächt. Testosteron fungiert bei den biochemischen Abläufen während der Erektion als Katalysator. Ist zu wenig von diesem Geschlechtshormon im Blut vorhanden, kann dieser Prozess nicht reibungslos ablaufen. Die Ursachen für Hormonmangel sind vielfältig.

Der Fachausdruck lautet "partielles Androgendefizit des alternden Mannes", abgekürzt PADAM. Darunter versteht man den teilweisen Mangel an "männlichen" Hormonen, deren Hauptvertreter eben das Testosteron (T) ist. PADAM ist charakterisiert durch typische Symptome in Kombination mit einem Testosteron-Mangel, der sowohl die Lebensqualität als auch die Funktion verschiedener Organe beeinträchtigen kann.

Alternative Bezeichnungen wie "Andropause" oder "männliches Klimakterium" sind vom biologischen Gesichtspunkt her falsch, da beim Mann - anders als bei der Frau - die Produktion der Sexualhormone nicht völlig endet. Diese Begriffe sollen daher nicht verwendet werden. Wer der Ansicht ist, die Bezeichnung "alternd" trifft auf ihn nicht zu, sei darauf hingewiesen, dass der Mann aus Sicht der Wissenschaft ab 40 zu altern beginnt.


Was ist Testosteron und welche Aufgaben hat es?

Testosteron ist das wichtigste Sexualhormon im männlichen Körper, es ist aber auch im weiblichen Organismus von (geringerer) Bedeutung. Im männlichen Körper ist es dafür verantwortlich, dass sich der Bub im Lauf der Pubertät zum Mann entwickelt, und wird zur Erhaltung von Wohlbefinden und Gesundheit des Mannes benötigt.

Neben der tiefen, männlichen Stimme ist Testosteron auch verantwortlich für die männliche Behaarung (z.B. Bartwuchs) und den männlichen Körperbau. Es ist sehr wichtig für eine gesunde Knochenstruktur und die Ausbildung einer kräftigen Muskulatur. Es fördert die Bildung der roten Blutkörperchen (Sauerstofftransport). Es ist notwendig für psychische Ausgeglichenheit und hält negative Stimmungen hintan. Testosteron ist weiters von Bedeutung für die Gedächtnisleistung, die Orientierung, die Koordination und Konzentration. Es regelt die Lust auf Sex (Libido) und ist für eine Vielzahl von Sexualfunktionen wichtig.

Testosteron wird während des Schlafes im Hoden produziert. Die Steuerung der T-Produktion erfolgt durch Hypophyse und Hypothalamus. Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gibt ein spezielles Steuerungshormon (LH) in den Blutkreislauf ab, das in den Hoden die Produktion von Testosteron bewirkt. Ab einer bestimmten Testosteron-Konzentration im Blut wird die Bildung von LH gestoppt, so dass normalerweise weder zu viel noch zu wenig Testosteron im Körper vorhanden ist. Der T-Wert im Blut ist in den Morgenstunden am höchsten, wird tagsüber verbraucht und nimmt daher zum Abend hin ab. Aus diesem Grund wird die Blutabnahme zur Bestimmung dieses Wertes zwischen 08.00 und 10.00 Uhr morgens durchgeführt.


Wann liegt ein Testosteron-Mangel vor?

Der Testosteron-Spiegel liegt bei einem unter 40-Jährigem zwischen 3,0 und 8,3 ng/ml Blut. Bei einem T-Wert unter 3,0 ng/ml spricht man von einem Testosteron-Mangel. Der Fachausdruck lautet Hypogonadismus.

Ab dem 40. Lebensjahr kommt es zu einem unterschiedlich schnellen Rückgang der Testosteron-Produktion. Bei Männern zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr beträgt die Abnahme ungefähr 20 Prozent des Ausgangswertes. Nur mehr 15 Prozent der 80-Jährigen haben einen T-Spiegel, der über 3,0 ng/ml Blut liegt. Studien wie beispielsweise die Massachusetts Male Aging Study, die Veränderungen des Alterns über die Jahre hinweg beobachtet haben, konnten zeigen, dass der T-Spiegel im Blut ab dem 40. Lebensjahr um 1,6 Prozent pro Jahr sinkt.

Nimmt man 3,5 ng/ml als unteren T-Grenzwert, dann beträgt die Prävalenz (Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer Bevölkerung) des PADAM bei Männern zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr sieben Prozent. Bei den 60- und 80-Jährigen sind es 21 Prozent und bei den über 80-Jährigen 35 Prozent.


Welche Ursachen hat ein Testosteron-Mangel?

Störungen im Bereich des Hypothalamus-Hypophysen-Systems oder im Hodengewebe können für einen Mangel an Testosteron verantwortlich sein. Dabei werden angeborene oder erworbene Ursachen unterschieden.

  • Hypothalamus-Hypophysen-System: Die Hormone aus Hypothalamus und Hypophyse regeln die Testosteron-Produktion im Hoden. Ein Mangel an diesen Hormonen führt zu einer Unterfunktion des Hodens. Die Beeinträchtigung der Hypophysen-Funktion kann angeboren sein (Kallmann-Syndrom) oder durch Untergewicht (bedingt durch Krankheit, übermäßigen Sport, psychische Störung, z.B. Essstörung) verursacht sein. Ein hormonaktiver Tumor in der Hypophyse, d.h. dieser produziert vermehrt das Hormon Prolaktin, führt zu einer Unterdrückung der T-Produktion.
  • Hoden: Unfälle, Operationen oder Lage-Anomalien (Hoden befindet sich außerhalb des Hodensacks) können die Hodenfunktion beeinflussen. Beim so genannten Klinefelter-Syndrom ist der Testosteron Mangel angeboren.

Das Regelsystem von Hoden und Hypothalamus/Hypophyse kann in seiner Funktion zudem gestört werden durch:

  • eine ungesunde Lebensweise: Bewegungsmangel, Übergewicht, übertriebene Diäten, Vitamin- und Mineralstoffmangel, Stress, Alkohol- und Drogenmissbrauch
  • eine Reihe von Allgemein-Erkrankungen: z.B. Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus, Schilddrüsen-Erkrankungen, Leberzirrhose, Krebs
  • Medikamente: z.B. Schlaf- und Beruhigungsmittel, Krebsbehandlung
  • Strahlenbelastung und Umweltgifte: z.B. Pestizide, Schwermetalle


Was sind die Symptome eines PADAM?

Sexualorgane

Die Lust auf Geschlechtsverkehr (Libido) ist geringer. Die Festigkeit der Erektionen lässt nach und die nächtlichen Tumeszenzen nehmen ab, es kommt also seltener zum Anschwellen des Gliedes während des Schlafes. Diese Tumeszenzen, die bei Männern jeden Alters bis zu fünfmal in den Nachtstunden auftreten, helfen allerdings dabei, die Muskelzellen der Schwellkörper zu trainieren, die Durchblutung zu fördern und auf diese Weise die Erektionsfähigkeit zu erhalten. Auch die Fruchtbarkeit ist beeinträchtigt.

Zentralnervensystem

Der Patient ist verstimmt, lustlos und antriebslos. Er tut sich schwer morgens aufzustehen und hat kein Interesse an der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Er klagt über schlechten Schlaf, Müdigkeit und Abgeschlagenheit und kann sich schlecht konzentrieren. Das Kurzzeitgedächtnis wird schlechter. Der Betroffene schwitzt stark, mehr als es der körperlichen Anstrengung entspricht, vor allem nachts, und berichtet von Hitzewallungen (Hier zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten mit den Beschwerden in der Menopause der Frau).

Körperkomposition

Die Muskelkraft lässt nach, was am Faust-Schluss gemessen werden kann. Durch die ständige Überbeanspruchung der Rückenmuskulatur, die auch durch den Testosteron-Mangel an Masse verliert, entstehen Rückenschmerzen. Die Erscheinung des männlichen Körpers verändert sich durch die Zunahme der Fettmasse ("Schwimmreifen"), während durch die Verringerung der Knochenmasse das Risiko einer Osteoporose (Knochenschwund) mit erhöhtem Frakturrisiko steigt.

Haut

Der typisch männliche Haarwuchs verändert sich (Bart, Schambehaarung). Die Haut wird trocken und faltig.


Diagnose und Therapie des PADAM

Das Ausmaß der Symptome wird mithilfe von Fragebögen (z.B. Aging Male Symptome Scale) festgestellt und bewertet. Findet sich bei einem Mann mit Hormonmangel-Beschwerden ein Testosteronwert unter 3.0 ng/ml, dann ist dies eine Indikation zur Durchführung einer Hormonersatztherapie (Hormone Replacement Therapy/HRT). Dieser pathologische Wert muss durch zweimalige Blutabnahme im Abstand von zwei bis vier Wochen verifiziert werden.

Ziel der Therapie ist ein Anheben des T-Spiegels in den physiologischen, also normalen Bereich, um Verbesserungen des Wohlbefindens, der Sexualität, der Lebensqualität, des Knochenschwundes (Osteopenie, Osteoporose) und der Hirnleistungen zur erreichen. Derzeit stehen den Urologen/Andrologen verschiedene Präparationen wie Kapseln, Gels, Implantate und ölige Lösungen zur Verabreichung intramuskulären Applikation als Therapie zur Verfügung. Die Anhebung des T-Blutspiegels allein verhilft noch nicht zu härteren oder länger anhaltenden Erektionen, dazu sind auch andere Maßnahmen, wie etwa Hilfe durch PDE 5-Hemmer oder gefäßaktive Substanzen (z.B. Alprostadil, Papaverin), die in den Schwellkörper gespritzt werden, notwendig. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die PDE-5-Hemmer mit ausgeglichenem Hormonspiegel oftmals besser wirken.

Vor Beginn der HRT ist allerdings das Vorliegen eines Prostata-Karzinoms auszuschließen. Die HRT verursacht zwar keinen Prostatakrebs, sie kann diesen aber bei einem noch nicht entdeckten Krebsherd zum massiven Ausbruch bringen. Während der Therapie ist eine engmaschige urologisch-andrologische Überwachung notwendig. Der/die betreuende Urologe/Urologin wird also in zeitlich kurzen Abstanden Untersuchungen vornehmen.

Die Hormonersatztherapie ist als Teil eines generellen Gesundheitsmanagements des älteren Mannes zu sehen. Aufgrund ihrer massiven Auswirkungen auf den Testosteron-Haushalt sollten negative Lebensstilfaktoren wie falsche Ernährung und Bewegungsmangel zum Positiven verändert sowie Begleiterkrankungen und medikamentöse Behandlungen im Rahmen des Therapiekonzeptes unbedingt berücksichtig werden.


Als Kontraindikationen für eine Hormonersatztherapie gelten

  • der Verdacht oder das Vorliegen eines Prostata-Karzinoms oder eines Brustkrebses (gibt es auch beim Mann)
  • das Bestehen von gutartigen Prostata-Vergrößerungen mit hochgradigen Beschwerden beim Wasserlassen
  • eine Polyglobulie (Zunahme der roten Blutkörperchen) oder
  • eine Schlafapnoe (Atemstillstand beim Schlafen).


Wie kann ich dem Testosteron-Mangel vorbeugen?

Durch Stressmanagement, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung kann dem Hormonmangel effektiv vorgebeugt werden.

  • Die Ernährung sollte reich an Vitaminen sowie Ballast- und Mineralstoffen sein. Tierische Fette gilt es zu reduzieren und pflanzlichen Fetten den Vorzug zu geben. Übermäßiger Alkoholgenuss sollte vermieden werden. Übergewichtige Männer haben nicht nur ein größeres Risiko, an Atherosklerose, Bluthochdruck, Diabetes und bestimmten Krebsarten zu erkranken. Sie haben auch einen niedrigeren Testosteronspiegel, denn im Fettgewebe wird Testosteron in das Hormon Östrogen umgewandelt.
  • Regelmäßiger Ausdauersport verbessert körperliche Leistungsfähigkeit und Ausgeglichenheit. Richtig dosiert, verhindert Krafttraining den Abbau von Muskelmasse und baut Muskelkraft auf. Kampfsportarten (persönlicher Tipp des Autors: Goju Ryu-Karate = traditionelles Karate aus Okinawa, www.iogkf-austria.at) fördern neben Stressabbau und körperlicher Fitness auch Beweglichkeit, Gelenkigkeit und Koordinationsfähigkeit.
    Vor jeder intensiven Betätigung, besonders wenn die Sportart schon länger nicht mehr ausgeübt wurde, sollte ein Arzt zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit aufgesucht werden. Denn: Männer neigen oft zur Übertreibung. In Kombination mit einem untrainierten Körper kann dies fatale Folgen haben. Während des Sports sollte auf die Herzfrequenz geachtet werden (z.B. mithilfe einer Pulsuhr). Als Faustregel gelten 65 Prozent der maximalen Herzfrequenz, die grob aus der Formel 220 minus Lebensalter errechnet werden kann.
  • Stress ist notwendig, um sich neuen Situationen anpassen zu können und Herausforderungen zu bewältigen. Wird Stress allerdings negativ empfunden oder dauern Stresssituationen länger an, dann kann daraus ein gesundheitliches Problem werden. Übermäßiger Stress beeinflusst die Hormonproduktion negativ, und die Gefahr eines Teufelskreises droht, denn Stress und Hormonmangel begünstigen depressive Verstimmungen, Erektionsstörungen und viele andere Erkrankungen.


Autor: Dr. Michael Eisenmenger, Präsident des Berufsverbandes der Österreichischen Urologen