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Übergewicht ist keine Schönheitsfrage. Schon gar nicht bei Kindern und Jugendlichen. Dafür ist der Einfluss auf die Gesundheit und Entwicklung zu schwerwiegend. Als Ursachen lassen sich schnell falsche Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsarmut ausmachen. Oft ist auch die fehlende Vorbildwirkung der Erwachsenen ein beeinflussender Faktor. Prävention ist immer noch das beste Mittel gegen Übergewicht, da Kinder nicht von heute auf morgen zunehmen.

Weltweit ist mit der Zunahme von höhergradigem Übergewicht (Adipositas) bei Kindern und Jugendlichen ein besorgniserregender Trend zu beobachten. In den USA, der Fast Food-Nation schlechthin, ist bereits jeder zweite Jugendliche übergewichtig. Auch in Österreich lassen die Zahlen aufhorchen. Laut dem Österreichischen Ernährungsbericht 2008 haben 19 Prozent der 6- bis 15-Jährigen im Land ein Gewicht jenseits der empfohlenen Referenzwerte. Acht Prozent davon gelten als stark übergewichtig, also adipös. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der von Übergewicht betroffenen Kinder und Jugendlichen um sieben Prozent gestiegen. "Der Osten ist gewichtiger als der Westen", ergänzt Gabriele Skacel, die als Diätologin das Ernährungsverhalten von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen schult.

Jugend ohne Bewegung

Oft lässt eine unheilvolle Kombination von unregelmäßiger, fett- und zuckerreicher Ernährung sowie Bewegungsarmut das Idealgewicht in weite Ferne rücken. Auch die Gene spielen eine Rolle, sollten aber nicht als Ausrede dienen. Kinder mit einer Veranlagung für Übergewicht nehmen zwar unter Umständen "leichter" zu, das gilt aber nicht automatisch. Der ausschlaggebende Faktor ist in den meisten Fällen fehlende Bewegung. Skacel kann das aus beruflicher Erfahrung bestätigen: "Bei vielen übergewichtigen Kindern wird Bewegungsmangel in Kombination mit Computerspielsucht beobachtet." Aber nur durch ausreichende Bewegung werden überschüssige Fettreserven verbrannt und Muskeln aufgebaut, die wiederum Kalorien verbrauchen. Dabei lässt sich Bewegung einfach in den Alltag integrieren. Wer seinen Kindern bei schönem Wetter Fernseh- oder Computerverbot erteilt, tut ihnen damit einen großen Gefallen. Auch muss es nicht immer die Rolltreppe oder der kürzeste Weg sein, um ans Ziel zu kommen.

Falsche Ernährungsgewohnheiten

Als weitere Faktoren für Übergewicht nennt die Diätologin das Überangebot an Nahrungsmitteln, kombiniert mit einer Entwertung der traditionellen familiären Esskultur: "Kinder und Jugendliche snacken den ganzen Tag, fixe Mahlzeiten im Rahmen der Familie entfallen mehr oder weniger." Die Gefahren für falsche Ernährungsgewohnheiten würden überall lauern: süße Getränke, keine fixen Mahlzeiten, Junk Food oder zu große Portionen. Auch Leistungsdruck oder Frustration könnten zu emotionsbedingten "Fressattacken" führen, ergänzt die Diätologin. Und in vielen Fällen ist es ganz einfach Langeweile, die essen zum Hobby werden lässt.

Zucker und Fett

Problematisch ist, dass Süßes bei vielen Kindern schon in der Früh auf dem Speiseplan steht. Auf Cornflakes, die nur so vor Zucker strotzen, folgen im Laufe des Tages Schokoriegel und Limonaden. Genau falsch würden es übergewichtige Jugendliche machen, weiß Gabriele Skacel, die das Frühstück auslassen, um vermeintliche Kalorien einzusparen. Da sich aber im Laufe des Tages meist Heißhunger entwickle, würden später erst wieder unkontrolliert fettreiche Lebensmittel konsumiert. "Das Frühstück ist aus diesem Grund empfehlenswert", ist sich die Diätologin sicher.

Wann ist ein Kind übergewichtig?

Bei Kindern liegt dann Adipositas vor, wenn das Körperfett höher ist, als es der Altersnorm entspricht. Um den Gewichtsstatus zu bestimmen, wird der Body-Mass-Index (BMI) herangezogen. Dieser berechnet sich für Erwachsene nach der Formel: Körpergewicht in Kilogramm, geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. Werte zwischen 18,5 und 25 liegen im Normalbereich.

BMI für Kinder nicht aussagekräftig

Für Kinder ist der BMI für die Beurteilung nicht aussagekräftig genug, da auch Geschlecht und Alter miteinbezogen werden müssen. Als Vergleichsbasis dienen so genannte Perzentilkurven. Sie stellen die normale Bandbreite des Gewichts für die jeweilige Altersgruppe dar. So sagt der Perzentilwert 75 aus, dass das Kind schwerer als 75 Prozent seiner Altersgenossen ist. "Als Grenzwert für Übergewicht bzw. Adipositas wird die 90. bzw. 97. alters- und geschlechtsspezifische Perzentile verwendet", erklärt die Diätologin Gabriele Skacel. Für genaue Zahlen verweist sie auf die Webseite der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter.

Körper und Seele leiden

Junges Alter schützt nicht vor den typischen Folgeerkrankungen von Übergewicht. Aktuelle amerikanische Studien warnen, dass sich fettsüchtige Kinder ihr Leben um zehn bis 20 Jahre verkürzen. Gabriele Skacel zählt Bluthochdruck, Diabetes mellitus (Typ II), Fettleber, einen hohen Cholesterin-Spiegel und Arteriosklerose zu den Risikoerkrankungen. Wenn die Knochen zu schwer tragen müssen, würden zudem Gelenksprobleme drohen.

Weil Übergewichtige zu wenig Bewegung machen, werden die Muskeln nicht genügend beansprucht. Sie verfügen über zu wenig Kraft, die Kilos richtig zu tragen. Die Folge sind Haltungsschäden. Neben den körperlichen Problemen bedeutet Übergewicht auch Stress für die Seele. Verletzende Aussagen oder schiefe Blicke lassen das Selbstwertgefühl leiden und führen mitunter zu sozialer Isolation. Für Eltern von übergewichtigen Kindern ist es trotzdem wichtig, das Gewicht nicht zum Dauerthema zu machen und nicht zu vergessen, die Stärken des Kindes zu betonen.

Je früher, desto besser

Kinder werden nicht von heute auf morgen dick. Für Gabriele Skacel steht daher fest, dass die beste Therapie immer noch die Prävention sei. Die Möglichkeit der Einflussnahme sei aber je nach Alter unterschiedlich groß. Während bei einem übergewichtigen Kindergartenkind die Hauptverantwortung bezüglich Nahrungsangebot und Ernährungserziehung bei den Eltern liege, seien Jugendliche in ihren Ernährungsgewohnheiten schwerer zu beeinflussen. Die Vorbildwirkung der Eltern dürfe nicht unterschätzt werden, betont die Diätologin: "Wenn die Eltern Obst und Gemüse ablehnen, so wird dies meist von den Kindern übernommen." Sie rät, die Kinder in den Kochprozess miteinzubeziehen. Gesundes würde dann meist besser akzeptiert werden. Sollen die Kinder und Jugendlichen einen Richtungswechsel beim Essen und Trinken vollziehen, ist die Unterstützung der ganzen Familie verlangt.

Wann Therapie?

Bei leichtem Übergewicht reicht es, das Gewicht eine Zeitlang zu halten und ein richtiges Ess- und Bewegungsverhalten zu fördern. Behandlungsbedürftig sei Übergewicht in jedem Fall bei Auftreten von Sekundärerkrankungen, meint die Ernährungexpertin. Bei starkem Übergewicht sollte ein begleitetes Diätprogramm absolviert werden, um das Übergewicht vor dem Erwachsenenalter in den Griff zu bekommen. "Ein gutes Programm zeichnet sich durch Langfristigkeit aus", betont die Ernährungsexpertin. Zu den weiteren Säulen in der Behandlung von Adipositas zählt die Diätologin eine ärztliche Abklärung, psychologische und diätologische Unterstützung sowie ein Bewegungsprogramm. Ganz wichtig sei laut Skacel die Impulskontrolle: "Die Kinder sollen lernen in bestimmten Essenssituationen auch "Nein" und "Stopp" zu sagen. In vielen Fällen würden die Krankenkassen leider keine längerfristig angelegten Diätprogramme bezahlen, kritisiert sie. Der Bedarf ist auf jeden Fall da, um "amerikanische Zustände" rechtzeitig zu verhindern.

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