Information Sie sind hoch geschätzte Kunden und sorgen regelmässig für guten Umsatz. Doch hinter der Fassade vom wohlhabenden und gönnerhaften Kunden steckt häufig menschliches Leid und eine handfeste Sucht: Kaufsucht. Jeder Vierte hat laut einer Studie der Universität Hohenheim Probleme, sein Kaufverhalten zu kontrollieren, oder setzt das Kaufen regelmässig zur Kompensation von Defiziten ein. Fünf bis acht Prozent der Erwachsenen sind demnach "stark kaufsuchtgefährdet". Wenn der Frustkauf nach einer Auseinandersetzung mit Kollegen oder dem Partner zur Gewohnheit wird und der Drang zum Kaufen zu einem unkontrollierbaren Zwang, ist professionelle Hilfe gefragt.


Kaufsucht

Ähnlich wie bei Drogensüchtigen verengen sich die Interessen der Süchtigen immer mehr auf das Kaufen, das letztendlich als einziges Befriedigungsmittel übrig bleibt. Soziale Kontakte werden immer unwichtiger. Um das bekannte Glücksgefühl zu bekommen, werden immer häufiger und teilweise auch immer teurere Güter gekauft. Die Suchtexpertin der Techniker Krankenkasse (TK), Inga Margraf, erklärt: "Die Bandbreite der Entzugserscheinungen reicht von einer inneren Unruhe über Unwohlsein bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen und Selbstmordgedanken. Betroffene und ihre Angehörigen sollten das Problem unbedingt ernst nehmen." Dabei geht es den Süchtigen weniger um den Besitz der Sachen. Die Betroffenen sehnen sich vielmehr nach dem euphorischen oder beruhigenden Gefühl, aber auch nach der Bestätigung und Aufmerksamkeit, die sie beim Kaufen empfinden. Inga Margraf: "Die Sucht trifft alle Einkommens- und Bildungsschichten." Studien zufolge seien jedoch jüngere Konsumenten und Frauen überproportional vertreten. Die meisten Kaufsüchtigen spezialisieren sich auf einzelne Produktgruppen wie Schuhe, Lebensmittel oder technische Geräte. Andere suchen eine ganz bestimmte Kaufumgebung – etwa Boutiquen, Supermärkte oder Bestellkataloge – oder nehmen ausschliesslich reduzierte Waren. Auf den Kaufrausch folgen in der Regel ein schlechtes Gewissen, Schuldgefühle und Reue. "Teilweise vergreifen sich die Süchtigen sogar an der Portokasse ihres Unternehmens, den Ersparnissen ihrer Kinder oder verprassen die Urlaubsrücklagen, um ihre Sucht zu finanzieren", erklärt Margraf. Dabei würden die Waren häufig nicht einmal ausgepackt oder benutzt. "Im fortgeschrittenen Stadium werden die Waren sogar versteckt, verschenkt oder aus Angst vor der Familie unbenutzt weggeworfen."

Massnahmen

Alsersten Schritt gegen die Kaufattacken empfiehlt Margraf die Rückgabe von Kredit- und Kundenkarten. In traditionellen Konsumzeiten wie der Vorweihnachtszeit oder dem Schlussverkauf sollten Kaufsuchtgefährdete Innenstädte und Einkaufszentren möglichst meiden. "Häufig hilft es den Betroffenen auch, wenn sie all ihre Suchtgegenstände aus den Schränken und Lagern holen und eine komplette Liste von ihnen anfertigen, die sie stets bei sich tragen." Mit diesen Massnahmen könne die Sucht zwar nicht therapiert, aber der Kaufrausch zumindest vorübergehend gemindert werden. Im Kampf gegen die Sucht sollte man unbedingt professionelle Hilfe zurate ziehen, empfiehlt Margraf.

"Der erste Schritt ist immer, sich die Sucht selbst einzugestehen." Am besten sollten Betroffene dann das Gespräch mit einer Vertrauensperson suchen und eine Therapie erwägen. Auch Selbsthilfegruppen sind wichtige Ansprechpartner. "Für Kaufsüchtige ist wichtig, dass sie merken: Ich bin mit meinem Problem nicht allein. Es gibt andere, die stecken in der gleichen Situation", so Margraf. Auf der Suche nach Therapieangeboten rät Margraf, sich an seine Krankenkasse zu wenden.