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Schleichender Hörverlust

Beethoven war zweifellos einer der ganz grossen europäischen Komponisten. Einige seiner bekanntesten Werke hat er komponiert, als er aufgrund seiner Taubheit nur noch mit "Konversationsheften“ kommunizieren konnte. Sein fortschreitender Hörverlust begann bereits mit 26 Jahren. Heute gehen die meisten Forscher davon aus, dass dessen Ursache eine Otosklerose des Innenohrs war.

Was ist diese Krankheit?

Hinter dem Trommelfell sitzen in der Paukenhöhle drei winzige Knöchelchen: Hammer, Amboss und Steigbügel.

Sie sind wie eine Kette beweglich miteinander verbunden, dämpfen die von draussen eintreffenden Schallwellen und übertragen sie weiter in das Innenohr. Der Steigbügel (Stapes), der kleinste Knochen des Körpers, ist an der Membran des ovalen Fensters befestigt, der Verbindung zum Innenohr. Bei der Otosklerose kommt es an verschiedenen Stellen des Mittel- und Innenohrs zu Umbauprozessen und vermehrter Neubildung des Knochens. Daher auch der aus dem Griechischen abgeleitete Name für diese Störung: "Oto“ für Ohr, "Sklerose“ für Verhärtung. Fast immer sind das ovale Fenster und der Steigbügel, in einem Drittel der Fälle auch Strukturen des Innenohrs wie die Schnecke oder das Gleichgewichtsorgan betroffen. Der neue Knochen kann um die Ansatzstelle des Steigbügels herumwachsen und ihn geradezu einmauern. Damit verliert dieses Gehörknöchelchen zunehmend seine Beweglichkeit (Stapesfixation) und wird immer schlechter seiner Aufgabe gerecht, den Schall zu übertragen. Hörstörungen (Schallleitungsschwerhörigkeit) sind die Folge. Ist auch das Innenohr von den Verknöcherungen betroffen, kann es zusätzlich zu Ohrgeräuschen (Tinnitus) und – selten – Schwindel kommen. Es gibt auch Fälle, bei denen nur das Innenohr befallen ist (Kapsel-Otosklerose); dann kommt es zu einer reinen Schallempfindungsschwerhörigkeit, die Schallleitung ist intakt.

 

Ursachen und Symptome

Wer ist betroffen und welche Ursachen gibt es?

Die Otosklerose beginnt fast immer zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Untersuchungen zeigten, dass Frauen gut anderthalbmal häufiger an der Krankheit leiden als Männer und Weisse wiederum besonders anfällig sind. In zwei Drittel der Fälle werden im Verlauf der Erkrankung beide Ohren befallen.

Man schätzt, dass 2% aller Schwerhörigkeiten in den mittleren Lebensjahren durch eine Otosklerose bedingt sind. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken allerdings in der Literatur zwischen 4 und 80 Betroffenen pro 1.000 Einwohner. Wie es genau zur Knochenneubildung kommt, ist nach wie vor nicht bekannt. Bereits seit langem vermutet man eine genetische Komponente. Diese Theorie der Vererbung wurde kürzlich bestätigt: Ein belgisches Forscherteam hat ein Gen identifiziert (TGFB1), das bei vielen der untersuchten Otosklerose-Patienten an einer bestimmten Stelle verändert ist. Es ist jedoch nach wie vor nicht auszuschliessen, dass weitere Auslöser vorhanden sind. So verschlechtern sich die Symptome bei vielen betroffenen Frauen während der Schwangerschaft, was für eine Hormonbeteiligung spricht. Bei einigen Patienten wurde in der Innenohrflüssigkeit Antikörper gegen Masern gefunden, weshalb auch Viren als Auslöser diskutiert werden.

Welche Symptome zeigt die Krankheit?

Bei den meisten Betroffenen macht sich nach dem 20. Lebensjahr eine Hörminderung bemerkbar, in der Regel zunächst in einem Ohr, später oft auch in beiden Ohren. Diese schreitet langsam, aber stetig voran bis hin zur völligen Taubheit. Viele leiden zusätzlich unter Ohrgeräuschen (

Tinnitus). Ist auch das Innenohr betroffen, kann Schwindel hinzukommen. Typisch ist, dass die Erkrankten bei Umgebungslärm besser hören – Ursache ist vermutlich, dass zum einen die anderen Personen in solchen Situationen automatisch lauter sprechen, zum anderen, dass die störenden Ohrgeräusche sich dann weniger bemerkbar machen. Die Betroffenen selbst sprechen eher leise, da die eigene Stimme über den Knochen weitergeleitet wird, was ja funktioniert.

 

Diagnose und Therapie

Wie wird die Diagnose gestellt?

Es gibt zwar eine ganze Reihe von

Ohruntersuchungen, doch letztlich geben diese nur mehr oder weniger deutliche Hinweise auf eine Otosklerose bzw. ermöglichen es, andere Erkrankungen auszuschliessen. Wie ein Puzzle fügt der Arzt die Untersuchungsergebnisse zusammen; letzte Klarheit erhält er nur während der Operation.

Zu den Untersuchungen gehören die Ohrspiegelung und Gehörprüfung, weiteren Aufschluss können Tests zur Prüfung des Sprachverständnisses (Sprachaudiogramm) und des Gleichgewichts sowie Röntgen bzw. Computertomografie von Ohr- und Schädelregion geben.

Welche Therapie gibt es?

Wichtigste Behandlungsmethode, wenn das Innenohr nicht oder kaum betroffen ist, ist die mikrochirurgische Operation. Dabei wird der Steigbügel zum Teil entfernt, ein Loch in seine Fussplatte gebohrt, eine stempelförmige Prothese (sog. Piston) aus Teflon, Platin, Titan oder Gold eingesetzt und diese mit einer kleinen Öse am Amboss befestigt. Dieses Verfahren (Stapesplastik) stellt die Beweglichkeit der Gehörknöchelchenkette und somit die Schallübertragung zum Innenohr wieder her. Die Operation dauert mindestens 30 Minuten und erfolgt meist unter lokaler Betäubung – das hat den Vorteil, dass der Arzt bereits währenddessen das Gehör prüfen kann. Der Zugang erfolgt von aussen über den Gehörgang, indem das Trommelfell aufgeschnitten und weggeklappt wird. So gelangt man in die Paukenhöhle und kann – nach dem Entfernen des oberen Steigbügels – mit einer Nadel oder einem Laserstrahl ein Loch in seinen "Fuss" bohren. Liegt auch eine Innenohrschwerhörigkeit vor, hilft die Operation nicht. In solchen Fällen (oder wenn die Operation vom Betroffenen nicht gewünscht wird), kann ein Hörgerät angepasst werden. Dieses verstärkt den Schall, verhindert aber nicht das Fortschreiten der Erkrankung. Eine neuere Alternative, insbesondere bei Schallempfindungsschwerhörigkeit, ist das

Cochlea-Implantat (CI). Diese elektronische Prothese wird in die Schnecke im Innenohr eingesetzt und stimuliert den Hörnerven direkt. Sie ist mit einem externen Mikrofon und Sprachprozessor verbunden, die den Schall vor dem Ohr aufnehmen und in elektrischen Impulse umwandeln. Medikamente wie Fluor- und Kortisonpräparate werden zwar immer wieder diskutiert; bisher haben sie sich jedoch als wenig wirksam erwiesen.

 

Verlauf und Prognose

Wie sind Verlauf und Prognose?

Die Schwierigkeit bei der Behandlung liegt darin zu entscheiden, ob und wann operiert wird. Je früher der Eingriff erfolgt, desto einfacher gelingt er und desto höher sind die Erfolgsraten (Besserung des Hörvermögens bei >90%, bei vielen auch Verschwinden des Tinnitus). Allerdings können wie bei jeder Operation Komplikationen auftreten, was die Entscheidung für eine Operation zu einem Zeitpunkt, wenn das Gehör noch nicht allzu sehr beeinträchtigt ist, natürlich schwierig macht.

Mögliche Früh- und Spätkomplikationen der Stapesplastik sind u.a. Schwindel (der meist vorübergeht), flüchtige Geschmackstörungen, Schädigungen des Innenohrs bis zur Ertaubung, Tinnitus, Lähmungen des Gesichtsnervs (der in der Nähe des Operationsgebietes verläuft), Verwachsungen (die evtl. einen erneuten Eingriff nötig machen), Entzündungen und Fistelbildung in den Bogengängen des Innenohrs.

Worauf muss der Erkrankte achten?

Die ersten Tage nach einer Operation wird der Gehörgang mit einem Schwämmchen oder Gazestreifen ausgestopft, das mit antibiotischer Salbe getränkt ist. Der Patient muss etwa eine halbe bis eine Woche in der Klinik bleiben, krank geschrieben ist er meist 2–3 Wochen. In den ersten zwei Wochen sollte kein Wasser in die Ohren gelangen; deshalb sollten selbst beim Duschen eine Badehaube, Ohrenschützer o.ä. getragen werden. Bis zur kompletten Ausheilung vergehen etwa 6 Wochen. In dieser Zeit sollte der Betroffene noch keine Flugreisen oder Tauchgänge unternehmen, da die Druckschwankungen dem Ohr schaden können. Manche Experten raten sogar, darauf 3 Monate zu verzichten. Bei einem Schnupfen sollten aus dem gleichen Grund abschwellende Nasentropfen genommen werden.