Information

Fast jedes Kind hat ein Kuscheltier mit Sonderstatus. Es darf jeden Abend mit ins Bett, muss unbedingt mit auf Reisen und zum Arzt. Es kann Helfer und Tröster sein und gerade Kinder, die starke Einschnitte und Krisen erleben müssen, bekommen von ihrem Kuscheltier Hilfe und Halt. Doch eine ausgeprägte Liebe zu Teddy und Co. hängt nicht automatisch mit einem persönlichen Defizit zusammen, da ist sich Mechthild Seithe, Professorin für Sozialpädagogik, sicher.

Das Kuscheltier als Forschungsobjekt

Professor Seithe hat vor rund zwei Jahren ein Forschungsprojekt in die Welt gerufen, das außergewöhnlich ist. Sie und ihre Studenten beschäftigten sich mit Kuscheltieren, deren Funktion in der Kindheit und dem Beziehungsgefüge Kind-Kuscheltier-Eltern. "In meinen Untersuchungen zeigten sich keinerlei Unterschiede bei Kindern aus so genannten vollständigen Familien und Familien mit nur einem Elternteil, bei Kindern mit Geschwistern oder Einzelkindern, bei Kindern mit berufstätigen Müttern oder solchen, die zu Hause sind." Für alle ist das Kuscheltier ein Begleiter in Freud und Leid. "Die Kuschels sind für die Kinder mehr als ein normales Spielzeug: Sie sind Personen mit Namen und Charakter, sie sind Wesen, die fühlen und denken können. Sie sind einerseits Identifikationsobjekte und andererseits Partner. Wo sie sind, ist das Kind sicher und fühlt sich zu Hause."

Kuscheltiere sind die erste selbstgewählte Beziehung

Viele Eltern, das zeigen erste Forschungsergebnisse, empfinden die Kuscheltierbeziehung als hilfreich für die Entwicklung. Schließlich fördert der Umgang mit ihm die Fantasie und auch das Einfühlungsvermögen in andere. Soziales Verhalten wird genauso trainiert wie die Fähigkeit, sich trotz einer Überfülle im Angebot für eine konkrete Beziehung zu entscheiden. "Bei einer kleinen Gruppe ist die Beziehung zu ihrem Lieblingskuscheltier sogar lebenswichtig: Es ist die ganz große Liebe und man hat den Eindruck, dass hier wirklich heftige Gefühle im Spiel sind", erklärt die Professorin. Kein Wunder also, dass Kuscheltiere häufig in den Tagesablauf einer Familie mit einbezogen werden. Und, einmal erwählt, manchmal für Monate, manchmal aber auch ein Leben lang, einen Sonderstatus erhalten und diesen immer noch innehaben, wenn sie bereits total abgegriffen und vielleicht auch kaputt sind. "Kuscheltiere sind meist die erste selbst gewählte und selbst behauptete Beziehung in der Biographie von Kindern. Sie sind oft richtige Persönlichkeiten mit Vorlieben und Eigenschaften. Ihre Individualität ist dem Kind wichtig", so Mechthild Seithe. "Es sind Freunde. Und Freunde schickt man eben nicht weg. Zu ihnen hält man, auch wenn es ihnen schlecht geht."

Eine Runde Wasserkarussell ist manchmal notwendig

Die meisten Lieblingskuscheltiere erwecken bei genauerem Betrachten sofort den Wunsch nach Wasser und Waschmittel. Und darüber nachdenken, was sich alles im Fell eines Wesens befindet, das von A nach Z geschleppt wird, sollte man ebenfalls besser nicht. Aber Kuscheltiere haben auch einen wichtigen Eigengeruch, etwas, das das Kind als heimelig empfindet und das ihm Trost spendet. Doch selbst wenn man auf zu häufiges Waschen zähneknirschend verzichtet, bisweilen ist es doch notwendig. Möglichst bei 60 Grad, damit Keime und Bakterien keine Chance haben. Man sollte dabei aber behutsam vorgehen. "Das Waschen des Kuscheltieres liegt ausschließlich im Interesse der Eltern und wird von Kindern nur mit Vorbehalt toleriert. Sie sitzen besorgt vor den Waschmaschinen und verfolgen dort den Leidensweg ihrer Lieblinge. Und wenn der Teddy dann an den Ohren an der Wäscheleine aufgehängt wird, gibt es heftigen Protest." Die Professorin rät in einem solchen Fall dazu, das Kind in die Waschpläne mit einzubeziehen und mit ihm zusammen einen möglichst schonenden Weg für diesen schwierigen Prozess zu finden. Und manches Kuscheltier fährt sogar ganz gern mal Wasserkarussell.

Den Status eines Lebewesens

Ein Kuscheltier einfach auszutauschen oder sogar wegzuwerfen ist für das Kind ein großer Vertrauensbruch, unter dem es seelisch ziemlich zu leiden hat. Schließlich wird ihm so ein Freund, auf den immer Verlass war und der alle Gefühle geduldig mit einem geteilt hat, entrissen. "Auch wenn Kinder älter sind und natürlich theoretisch wissen, dass ein Kuscheltier nichts ist als ein Stück Fell mit Füllung, auch dann haben sie Hemmungen mit ihm wie mit einer ausgedienten Sache umzugehen. Schließlich ist das Kuscheltier für ein Kind wie ein Lebewesen." Doch die meisten Eltern respektieren das besondere Verhältnis zwischen Kind und Kuscheltier. "Und sie finden sich eher in der Situation wieder, ein verloren gegangenes oder verlegtes Kuscheltier stundenlang zu suchen, heimlich Ersatzexemplare bereit zu halten und weite Wege zurückzulegen, weil das Kuscheltier im Kindergarten oder bei der Oma versehentlich zurückgelassen wurde." Manchmal haben auch die Eltern selbst noch ein eigenes Exemplar aus ihrer Kindheit, das in solchen Fällen vorübergehend "einspringen" kann, um Tränen zu vermeiden.

Beim Kauf auf Qualität achten

Kuscheltiere sind ein beliebtes Mitbringsel und Geschenk. Beim Kauf sollte man aber unbedingt darauf achten, dass es gut verarbeitet ist und möglichst aus einem ökologisch unbedenklichen Material gefertigt wurde. Schlecht verarbeitete Nähte oder leicht zu lösende Kleinteile wie Augen oder Barthaare stellen nämlich eine ziemliche Gefahrenquelle für das Kind dar. Doch leider sind es nicht immer der handgenähte Teddy oder die mit geruchfreiem Ökomaterial gefüllte Katze, die erwählt werden, sondern manchmal auch ein quietschgelbes Etwas vom Jahrmarkt oder ein in unseren Augen hässliches Entlein, das das Kind beim Kindertrödel erstanden hat. "In meinen Untersuchungen wurde immer wieder deutlich, dass Kinder ihre Lieblingskuscheltiere nicht nach Schönheit, Preis oder Marke aussuchen. Selbst noch bei Grundschulkindern zeigte sich, dass das Kuscheltier für ein Kind kein Prestigeobjekt ist, mit dem es angeben kann. Das einzige Kriterium, das immer wieder genannt wird, wenn gefragt wird, warum gerade dieses Kuscheltier der Liebling ist: Es ist weich und anschmiegsam." Und manchmal ist es eben Liebe auf den ersten Blick, da spielt der Rest keine große Rolle mehr. "Die Beziehung zum Kuscheltier scheint weitgehend frei von den Merkmalen unseres antrainierten Konsumverhaltens. Es ist eine echte Beziehung. Vielleicht ist sie deshalb gerade heute so wichtig und vielleicht liegt genau darin auch ihr Reiz."

Kuscheltiere für Jungs gesellschaftlich akzeptiert

Die Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Kuscheltiere für Jungs genauso wichtig sind wie für Mädchen und sie sich auch nicht scheuen, das zuzugeben. "Dem Kuscheltier gegenüber Fürsorge und Zärtlichkeit zu zeigen, scheint auch gesellschaftlich für Jungen erlaubt und respektiert zu sein. Selbst Grundschulkinder hatten keine Hemmungen, sich zu ihren Kuscheltieren zu bekennen und ihre Beziehungen und Gefühle zu ihnen zu outen - auch ihren Klassenkameraden gegenüber nicht. Das hat uns selber überrascht." Ganz anders ist es mit Puppen. Die sind für die meisten Jungs auch heute noch ein Tabu. Die Professorin, die selbst drei inzwischen erwachsene Kinder hat und auf deren Dachboden sich nach eigener Aussage mehrere Säcke mit Kuscheltieren stapeln, sieht im Umgang mit dem Plüschfreund gerade für Jungs große Chancen, zu lernen, fürsorglich und zärtlich mit anderen Wesen umzugehen. "Hier werden die Voraussetzung für die neuen Väter gelegt!"

Übergangsobjekt im Abgrenzungsprozess

Psychologisch gesehen gibt es mehrere Erklärungsansätze, warum Kuscheltiere für Kinder so wichtig sind. Eine Erklärung besteht darin, dass die Schmusetiere meist bereits ab dem Säuglingsalter neben den Kindern liegen und durch den Dauerkontakt einen besonderen Status erhalten. Hierbei sollte man aber, nebenbei gesagt, darauf achten, dass das Kuscheltier nicht zu groß und voluminös ist, damit eine Erstickungsgefahr ausgeschlossen werden kann. Ein weiterer Ansatz: Kinder gehen oft etwa im Alter von zwei Jahren ihre erste feste Kuscheltierbindung ein, also genau in einem Alter, in dem sie einen der großen Abgrenzungs- und Ablöseprozesse von den Eltern durchmachen und zusätzlichen Halt gut gebrauchen können. Das Kuscheltier hat dann die Funktion eines Übergangsobjekts. Und ist dabei zusätzlich ein dankbarer Partner für fiktive Rollenspiele.

Kuscheltier ist nie ein Ersatz für echte Nähe

Kuscheln und Schmusen ist für Kinder und deren Entwicklung, Gesundheit und psychische Stabilität äußerst wichtig. Aber nicht immer hat jemand dafür Zeit. Da kann ein Kuscheltier vorübergehend auch mal ein guter Ersatz sein. Allerdings wirklich nur vorübergehend zum Beispiel als Einschlafhilfe, die Wärme gibt und Ängste nimmt. Das Schmusen mit den Eltern sollte aber darüber nicht vernachlässigt werden - das Kuscheltier ist, auch wenn es eine wichtige Bedeutung für das Kind hat, ein Ersatzobjekt, das möglichst oft durch "echten" Körperkontakt und Nähe ersetzt werden sollte.

Das Kuscheltier ist ein Begleiter in Freud und Leid. (Quelle: imago)


> WEITERE THEMEN IM BEREICH GESUNDHEIT FINDEN SIE HIER <