Die EU möchte die Privatsphäre von Internet-Nutzern besser schützen. Google, Facebook und Co. drohen Strafen, wenn sie sich nicht an neue Regeln halten. Aber was steht Konsumenten da bevor?
Wer das Internet nutzt, soll künftig einen besseren Schutz für seine persönlichen Daten erhalten. Das ist das Ziel der neuen Datenschutzreform der EU. Die umstrittene Neuregelung wurde mehr als drei Jahre lang diskutiert, dann gab die Ausspähaffäre um den US-Geheimdienst NSA der Debatte neuen Schwung. Nun liegt ein Papier von mehr als 260 Seiten auf dem Tisch, das die EU-Justizminister am Montag beschlossen. Allerdings muss das Europaparlament danach noch zustimmen, die Parlamentarier verlangen noch mehr Schutz für die Konsumenten.
1. Warum braucht Europa neue Datenschutzregeln?
Weil die bisherigen aus dem Jahr 1995 stammen - also aus einer Zeit, als weniger als ein Prozent der Europäer das Internet nutzte. Seitdem haben die EU-Staaten die Vorgaben unterschiedlich umgesetzt, es ist ein Flickenteppich entstanden. Der digitale Alltag hat neue Fragen aufgeworfen. Die EU-Kommission hat im Jänner 2012 eine Reform vorgeschlagen, um den Schutz der Privatsphäre im Internet zu verbessern.
2. Was bedeutet das für Verbraucher?
Sie können ihre Rechte leichter und in allen 28 EU-Staaten durchsetzen. Haben Online-Unternehmen ihren Sitz außerhalb des Landes, war es bisher kompliziert: Mit einer Beschwerde gegen das soziale Netzwerk Facebook, das seinen Europasitz in Irland hat, muss sich ein Verbraucher bisher an den irischen Datenschutzbeauftragten wenden. Künftig kann er dies beim nationalen Beauftragten tun, der Kontakt zu seinem irischen Kollegen aufnimmt.
3. Was ändert sich für Nutzer sozialer Netzwerke?
Sie müssen eindeutig zustimmen, dass sie mit der Verarbeitung ihrer Daten einverstanden sind - oder dass sie dies ablehnen. Schon heute willigen Kunden in endlos lange Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ein, oft ohne sie gelesen zu haben. Das EU-Parlament fordert, dass künftig zusätzlich Symbole verständlich erklären, was mit den Daten passiert. Der EU-Ministerrat hat dies aber nicht vorgesehen. Konsumenten bekommen das Recht auf Mitnahme von Daten wie Mails, Fotos oder Kontakten. Wer etwa von Facebook zu Google+ wechselt, dem muss Facebook seine persönlichen Daten mitgeben.
4. Haben Nutzer ein "Recht auf Vergessen"?
Ja. Sie sollen das Recht haben, personenbezogene Daten wie Informationen über das Privat- oder Berufsleben sowie Fotos im Web löschen zu lassen. Sie können auch von Suchmaschinen wie Google verlangen, Verweise bei der Online-Suche zu Inhalten, die das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz verletzen, zu entfernen.
5. Können Daten noch beim Geheimdienst landen?
Datensicherheit ist in Zeiten des US-Geheimdienstes NSA so eine Sache. Das EU-Parlament verlangt, dass Firmen Daten nicht an Behörden in Nicht-EU-Staaten geben dürfen. Wenn etwa US-Behörden Daten aus Europa verlangen, müsste eine Firma im Voraus die Einwilligung des in Europa zuständigen nationalen Datenschutzbeauftragten einholen. Im Text der EU-Staaten steht dies aber nicht.
6. Was, wenn man sich nicht an die Regeln hält?
Bei Verstößen gegen den Datenschutz drohen ihnen hohe Strafen von bis zu zwei Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes. Das EU-Parlament verlangt sogar Bußgelder von bis zu fünf Prozent oder 100 Millionen Euro. Damit sollen vor allem Internetriesen wie Google oder Facebook abgeschreckt werden, auf die Milliardenstrafen zukämen. Die Regeln würden nämlich auch für US-Firmen gelten.
7. Gibt es Kritik an den Vorschlägen?
Ja, große Teile der freien Wirtschaft und insbesondere der Internetbranche wettern gegen die neuen Datenschutzregeln. Sie befürchten Fesseln, die ihnen das Geschäft verderben. Kritik kommt etwa vom deutschen Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Der Industrie-Dachverband "Business Europe" warnt vor negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum. Das Europabüro vom "Interactive Advertising Bureau" (IAB) mit Google als Mitglied wirft der EU Realitätsferne vor.
8. Warum stimmte Österreich gegen den Entwurf?
Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) begründete dies mit dem sehr hohen geltenden Datenschutzniveau in Österreich. Dieses dürfe nicht verwässert werden. Konkret stößt sich Österreich auch daran, dass das Prinzip der "Datensparsamkeit", also die Maxime so wenig Daten wie möglich zu sammeln im aktuellen Entwurf gegenüber 1995 aufgeweicht wurde. Zudem sieht die neue Verordnung die Möglichkeit der Datenweitergabe an Drittstaaten auch ohne die Zustimmung der betroffenen Person vor, wenn ein "berechtigtes Interesse" vorliegt. Zu wenig Klarheit moniert Wien auch in der Frage der Verwendung von Gesundheitsdaten durch Versicherungen oder wenn es um Bonitätsdatenbanken von Schuldnern geht.
9. Wie geht es jetzt weiter?
Nach der Entscheidung der EU-Staaten muss noch ein Kompromiss mit dem Europaparlament gefunden werden. EU-Diplomaten erwarten frühestens bis Jahresende eine Einigung. Die Verordnung gilt nach zwei Jahren Übergangszeit in allen EU-Staaten.
Quelle: Eskin
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